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33. Eieruhr auf 20 Minuten

„Vermutlich habe ich für Mathe einfach kein Talent. Dafür kann ich andere Dinge“, überlegte Mathilde, die auf dem Heimweg war.

„Du willst ja auch nicht Maaathematik studieren“, erwiderte eine Stimme hinter dem Friedhofszaun.

Mathilde warf ihren Ranzen ins Gras, kletterte über den Zaun und suchte nach der Schnecke.

bienchen lesezeichen 50An einem schattigen Platz fand Mathilde sie.

„Guten Tag! Wie meinst du das mit dem Mathematik studieren?“ Mathilde flüsterte, denn sie wollte die Ruhe nicht stören.

Die Schnecke hob den Kopf, streckte die Fühler aus und antwortete: „Dein Ziel ist keine Eins mit Auszeichnung. Taaalent ist notwendig und von Vorteil, wenn du etwas Herausragendes in einem Bereich erreichen willst. Aber selbst in dem Fall muss das Taaalent sich mit Ausdauer und Fleiß verbinden, um Groooßes zu schaffen. Wenn ich mich richtig erinnere, ist dein Ziel eine Drei in Mathematik und du hast Punkte notiert, die dazu beitragen, dass du sie erreichst.“ Mathilde ahnte, was kam, und sie hatte die Seite bereits aufgeschlagen, auf der zu lesen war:

2. Drei in Mathematik

  • In den Pausen mit jemandem Mathematik üben
  • Das Mathematikbuch lesen
  • Nachhilfe in Mathematik nehmen
  • Hausaufgaben mit meinem Onkel durchsprechen
  • Bücher, die mein Mathematiklehrer empfiehlt, in der Bücherei ausleihen

„Wenn du diese fünf Punkte nur halb so konsequent durchgeführt hättest wie dein Pfeiftraining oder das Sparen für das Pferd, hättest du weniger Angst vor der Maaathematikarbeit und mehr Freude auf dem Weg zur Schule. Sicher, du hast hin und wieder in deinem Mathematikbuch gelesen und mit deinem Onkel die Hausaufgaben durchgesprochen, aber konsequent war dein Tun nicht.“

Natürlich hatte die Schnecke recht. Mathilde wusste, dass sie das Üben immer wieder vor sich her schob, denn es war ein großer Berg, den die Mathematikarbeit für sie darstellte, und Spaß machte es auch nicht.

„Das verstehe ich, Mathilde. Du hast ja genug weitere Aufgaben und arbeitest für deine anderen Ziele und Wünsche konsequent. Mathematik hingegen macht dir keinen Spaß, was vermutlich auch daran liegt, dass du nicht übst und schlechte Zensuren nicht unbedingt motivieren.

Hier ist mein Rat: Übe jeden Tag 20 Minuten Maaathematik. Versuche dir eine feste Zeit einzurichten und addiere die Minuten täglich. Schreibe noch heute 20 Minuten in den Kaaalender, wenn du geübt hast. Morgen notierst du nach den weiteren 20 Minuten üben 40 Minuten und so weiter“, sagte die Schnecke und machte eine Pause.

„14 Tage x 20 Minuten. Das ist viel Mathematik üben. Hört sich zu einfach an, um die Lösung zu sein. Aber einen Versuch ist es wert.“

Noch am selben Tag lernte Mathilde in ihrem Mathematikbuch. Sie hatte sich die gelbe Eieruhr gestellt und diese in der Küche gelassen, damit das laute Ticken nicht störte. Als die Uhr rasselte, notierte sie die 20 Minuten. Abends lag Mathilde im Bett und schaute auf den Wandkalender, wo sie 20 Minuten notiert hatte. Die Angst vor der Mathematikarbeit war noch da. „Aber irgendetwas ist jetzt anders. Es fühlt sich bereits ein wenig besser an“, überlegte sie und knipste das Licht aus.

34. Schrecken in der Frühe

Es nieselte und Mathilde zitterte. Blutsauger hatten ihr am Vortag zugesetzt und so kratze sie mal hier und mal da. Sie war ein beliebtes Ziel bei Mücken, und ihr wütendes Kratzen half einfach nicht wirklich.

„Ist es das wert? Irgendwann werde ich richtig arbeiten und dann kann ich mir auch ein Pferd kaufen. Zwar etwas später, aber ich muss keine Zeitungen mehr austragen und kein Geld mehr zurücklegen. Ich könnte mir noch heute andere schöne Dinge leisten“, überlegte Mathilde.

In frostigen Gedanken, aber trotzdem pfeifend, bog sie in die letzte Straße ihrer morgendlichen Tour ein.
„Hier wohnen die, die viel Geld haben“, dachte Mathilde und nieste, dass ihr ganzer Körper durchgerüttelt wurde.

„Gesundheit und Guten Morgen“, rief jemand hinter der Thuja-Hecke. „Du kannst mir gleich hier die Zeitung geben.“

Mathilde reichte einem Mann die Zeitung, der ihre Laune nicht wirklich zu steigern vermochte. Er war freundlich, aber er war eben auch ihr Mathematiklehrer. In der Frühe schon an Mathematik erinnert zu werden, das war nicht angenehm.

Herr Rummel bemerkte das. Sich am Kinn reibend sagte er: „Das war die Titelmelodie von ‚Unsere kleine Farm‘, die du eben gepfiffen hast, oder täusche ich mich?“

In Mathildes Gesicht ging die Sonne zwischen den Sommersprossen auf. „Ja, das stimmt. Ich übe beim Austragen der Zeitungen immer das Pfeifen.“
„Das habe ich schon gehört. Das ist eine Spitzenidee“, sagte Herr Rummel.
„Finden Sie?“
„Ja!“

Mathilde betrachtete das Haus, vor dem Herr Rummel stand. Es hatte ihr schon immer gefallen. Das Haus wirkte einfach und war umgeben von mächtigen Steinen. Es war diese Einfachheit, die dem Haus etwas Besonderes verlieh.

„Sie haben ein tolles Haus.“
„Ja, mir gefällt es auch, aber es ist nicht meins. Es gehört dem Ehepaar Naturell. Sie suchten einen Mieter und ich wurde es glücklicherweise.“
„Ja, da hatten Sie Glück“, sagte Mathilde.
„Jetzt muss ich los. Ich will noch meinen morgendlichen Spaziergang machen“, sagte Herr Rummel und verabschiedete sich.

Mathilde trug beschwingt die letzten Zeitungen aus und pfiff dabei besonders laut, denn am Nachmittag war der große Pfeiftest bei Tiberius.

„Herr Rummel ist nett und sicher hilfsbereit“, überlegte Mathilde. Nachdem sie ihr Mathematikbuch in die Tasche gepackt hatte, schlug sie ihr Notizbuch auf und unter ihren Ideen:

  • Bücher, die mein Mathematiklehrer empfiehlt, in der Bücherei ausleihen
  • 20 Minuten Mathematik üben (Eieruhr, Zeit addieren)

ergänzte sie die Aufgabe:

  • Herrn Rummel fragen, wie ich meine Zensur verbessern kann

Das musste bald geschehen, denn die Mathematikarbeit war nur noch wenige Tage entfernt. Mathilde hatte bereits 60 Minuten für die Arbeit gelernt, aber das war keinesfalls genug.

„Pfeiftest! Was das wohl wird? Und was für eine Empfehlung wird Herr Rummel mir geben?“, fragte Mathilde sich, zog die Haustür zu und stürmte im grünen Lieblingspullover das Treppenhaus hinunter.

35. Kein einfacher Pfeiftest

Auch wenn es Tiberius war, der sie testen wollte, so war sie doch aufgeregt. „Es ist immerhin ein Test und davor bin ich immer nervös“, entsann sich Mathilde.

Am Vormittag war sie auch angespannt gewesen, denn sie hatte Herrn Rummel gefragt, wie sie ihre Zensur in Mathematik verbessern könnte. So im Nachhinein betrachtet gab es überhaupt keinen Grund, nervös zu sein, denn Herr Rummel freute sich, dass Mathilde ihn ansprach. Leider musste er zu einer Lehrerkonferenz. Er trug Mathildes Frage in seinen Terminkalender ein und wollte ihr nach der nächsten Stunde Tipps geben.

„Hallo, Mathilde“, rief jemand. Es war Marei und sie war dabei, die Straße mit ihrem Rollstuhl zu überqueren.
„Warte, ich helfe dir“.

„Guten Tag, werte Damen!“, rief Gregor und bremste sein Fahrrad neben den beiden. Er war noch adretter gekleidet als sonst und hatte seinen Skizzenblock dabei.

Mathilde ahnte nichts Gutes. „Wie konnte ich auch nur glauben, dass es ein einfacher Pfeiftest wird?“, stöhnte Mathilde und zupfte sich am Ohr. Gregor und Marei grinsten.

Als die Drei sich dem Kiosk näherten, standen da schon eine Frau mit großem Hut, ein Mops und ein gestikulierender Tiberius. Das konnte kein Zufall sein.

„Guten Tag, Frau Klawitsch, hallo Tiberius“, krächzte Mathilde. Ihr Mund fing an auszutrocknen und das Herz klopfte wild. An Pfeifen war so nicht zu denken.

Ipo hingegen war begeistert. Er trippelte zwischen den drei Neuankömmlingen hin und her als wüsste er nicht, wen er als Ersten zum Streicheln auffordern sollte. Mathilde lachte, denn der kleine Hund schien noch aufgeregter zu sein als sie.

„Liebe Mathilde, du bist hoffentlich nicht verärgert, dass sich die Prüfung zu einem größeren Pfeiftest entwickelt hat. Aber als dein Trainer überlegte ich, dass deine Freunde hervorragende Juroren sind. Du hast mir zu Beginn des Pfeiftrainings erklärt, dass dir deine Wünsche und Ziele wichtig sind. Wenn dem so ist, ist ein großer Pfeiftest auch ein Training gegen Lampenfieber und für mehr Gelassenheit in Prüfungen aller Art“, sagte Tiberius.

Eine Stunde später, nach vielen gepfiffenen Liedern und mehreren geleerten Eisbechern, war der Pfeiftest vorbei. Alle waren sich einig, dass Mathilde ihn mit Bravour bestanden hatte.

Es war ein unvergesslicher Nachmittag. Frau Klawitsch gab Mathilde noch Tipps zum Thema Lampenfieber und Atemtechnik, denn als ehemalige Opernsängerin kannte sie sich aus. Gregor hatte Mathilde gezeichnet und Marei alle Kommentare der Juroren notiert.

„Schön, wenn man solche Freunde hat“, überlegte Mathilde auf dem Weg nach Hause. Sie freute sich, dass ihr regelmäßiges Pfeiftraining sich ausgezahlt hatte. Und ja – sie war ein wenig stolz. Beim Abendbrot erzählte sie ihrem Onkel vom Tag und pfiff fast die komplette Liederliste des Pfeiftests erneut durch.

„So! Jetzt ran an Mathe. Ich kann zwar besser Lieder pfeifen, aber das wird mir bei der Mathematikarbeit kaum helfen“, sagte Mathilde und schlug eines der Bücher auf. Keine vier Minuten später war das Buch immer noch aufgeschlagen aber die Lernende bereits eingeschlafen.

36. Die gefleckte Hornbrille

Tina und Ulrike saßen auf der verwitterten Mauer im Pausenhof und hörten Mathilde zu.

„Mann, hast du aber viel erlebt!“, sagte die ältere der beiden Schwestern. Sie ging in Mathildes Parallelklasse.

„Gestern hab ich außerdem von Herrn Rummel einige Buchtipps bekommen. Ich hol die Bücher heute Nachmittag aus der Bücherei. Kommt ihr mit?“
„Nein, wir haben keine Zeit“, antwortete Tina.

Dann schrillte die Stundenglocke und unterbrach das Wiedersehen der Freundinnen.

„Das andere Buch ist ausgeliehen“, sagte die Frau mit der gefleckten Hornbrille.
„Schade. Haben Sie etwas Vergleichbares?“
„Bitte?“
„Ja, ich meine ein Buch, das so ähnlich ist?“

Die Frau schaute Mathilde halb abgewandt an, schnaubte leicht und schüttelte Hornbrille samt Kopf. „Für so etwas habe ich nun wirklich keine Zeit. Schau die Warteschlange hinter dir an. Du bist doch nicht allein hier!“

Mathilde biss sich auf die Zunge, für diese unfreundliche Antwort hatte sie schon die passende Breitseite parat.

„Das bringt doch nichts“, ging es ihr durch den Kopf.

„Oh, ja. Das kann ich verstehen.“ Mathilde lächelte und deutete auf das Buch, das vor ihr lag. „Darf ich das ausleihen?“

Sichtlich verwirrt trug die Frau die Buchdaten ein. Mathilde bedankte sich, drehte sich langsam herum und ging aufrecht an den Wartenden vorbei.

„Sssssssst“, zischte etwas an ihrem Ohr vorüber, flog um ihren Kopf und setzte sich auf ihren Schulranzen.

„Hallo, Mathilde! Wie ich sehe, haderst du mit deiner Situation“, sagte die Mücke.

„Ja, das stimmt, denn das wichtigste Buch ist nicht da. Aber ich werde trotzdem jeden Tag 20 Minuten üben. Es sind schon einige zusammengekommen.“

Die Mücke nickte und flog auf die Rückenlehne der Bank, um dichter an Mathildes Ohr zu sein. „Ich bin schwer beeindruckt von dir. Wie du dich in der Bücherei verhalten hast, war große Klasse. Du nimmst deine WIEs ernst und weißt, dass mit Zorn und Schimpfen nichts zu erreichen ist.

Das Problem bei Ärger und Wut ist, dass wir in solchen Momenten etwas tun oder sagen, was wir meist schnell bereuen. Der Verstand verabschiedet sich und wir tun Dinge, die uns selber und andere verletzen!“

Mathilde notierte und war ein wenig stolz, als die Mücke weiterflog.

Als sie mit geübter Hand das Brot schnitt, denn heute war sie an der Reihe, das Abendessen vorzubereiten, rief ihr Onkel: „Mathilde! Telefon für dich.“

„Hallo, hier ist Mathilde.“
„Guten Abend. Hier ist Frau Klemmer aus der Bücherei.“

Sie lief weiß an und selbst ihre Sommersprossen wurden heller. Was hatte sie falsch gemacht? Was war passiert?

„Ich wollte dir sagen, dass ich denjenigen angerufen habe, der das Mathematikbuch ausgeliehen hat. Es war überfällig und ich habe ihm angeboten, dass er keine Überziehungsgebühr zahlen muss, wenn er es morgen zurückbringt. Du kannst das Buch also nachmittags abholen.“

Mathilde glaubte, nicht richtig zu hören und erwiderte: „Danke, Frau Klemmer.“

Sichtlich verwirrt setzte sie sich an den Tisch und nahm eine Scheibe Mischbrot und legte eine Salamischeibe mehr drauf als sonst.

„Was werden noch für merkwürdige Dinge passieren?“, murmelte Mathilde und biss ins Brot.

 

 

In einigen Tagen geht es weiter.

(c) Michael Behn

 

Als Audio-Version

Sprecherin: Inge Blesinger, freie Mitarbeiterin im blueprints Team

 

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Geschrieben von

Michael Behn
Michael Behn

Michael arbeitet als Trainer und Coach im Bereich Kommunikationstraining und Selbstmanagement. Er arbeitet bundesweit für kleine und mittelständische Unternehmen. Schwerpunkt sind Führungstrainings, Verkaufstrainings und das Thema Zeit- und Selbstmanagement. Er ist Gründer von blueprints, was seit dem Jahr 2000 eine Leidenschaft von ihm ist.

https://www.blueprints.de

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