Geschichten und Fabeln auf blueprints.de
Seit Jahrtausenden geben Völker ihr Wissen in Geschichten weiter. Ob der Indianer am Lagerfeuer, der Philosoph in der Wandelhalle an seine Schüler oder die Oma an ihre Enkel.
Die Geschichten auf dieser Seite handeln von Menschen und Tieren auf ihren persönlichen Lebenswegen mit all den möglichen Problemen, Gefahren, Geheimnissen und Erlebnissen. Sie stammen von Schriftstellern aus aller Welt und aus unterschiedlichen Zeiten.
Einige der Geschichten sind von uns erfunden oder auf Basis alter Geschichten neu formuliert worden. Andere Geschichten stammen aus der Feder begnadeter Autoren.
Geschichten können uns erinnern, motivieren, nachdenklich machen oder auf andere Art und Weise bewegen. Bei jeder Geschichte trifft die Idee des Autors auf die Vorerfahrungen, Ideen, Wünsche, Ziele, Sorgen und Ängste des Lesers. Was daraus entsteht, kann somit sehr unterschiedlich sein.
Beim Lesen, Zuhören oder beim Besprechen der Geschichten wünschen wir viel Freude und hilfreiche Erkenntnisse. Aber vorerst noch ein paar Informationen über Fabeln, Anekdoten und Kurzgeschichten.
„Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben, über die Sterne.“
Die Fabel
Fabeln sind in Versform oder Prosa verfasste, kürzere Erzählungen mit belehrender Absicht. Die Hauptrolle spielen zumeist Tiere, aber auch Pflanzen oder fabelhafte Mischwesen, die menschliche Eigenschaften besitzen und auch menschlich handeln.
Besonders häufig kommen in Fabeln der Löwe, der Wolf, die Eule und der Fuchs vor. Die Fabeltiere verkörpern dabei menschliche Charakterzüge. Der Fuchs ist der Listige aber auch arglistige, der nur auf seinen Vorteil schaut. Die weise Eule, die dumme Gans, der mächtige und mutige Löwe, die hinterhältige Schlange oder die kleine, einfache Maus.
Sie merken, dass wir heute auch in der Umgangssprache uns dieser Verbindungen bedienen. Der "Angsthase" oder die "dumme Gans" sind einigen von uns sicher bereits über die Lippen gegangen.
Fabeln wollen eine Wahrheit oder eine Lehre vermitteln. Sie beziehen sich auf alltägliche, menschliche Charakterzüge und wie Gier, Unfairness, Neid oder Eitelkeit, aber auch Hilfsbereitschaft, Mut, Bescheidenheit und andere.
Die Anekdote
Die Anekdote ist ein literarisches Genre, das sich auf eine bemerkenswerte Begebenheit, meist aus dem Leben einer Person bezieht.
Die wichtigsten Merkmale sind: die Pointe, die Reduktion auf das Wesentliche und die Charakterisierung einer oder auch mehrerer Personen.
Der DUDEN beschreibt die Anekdote als kurze, meist witzige Geschichte, die eine Persönlichkeit, eine soziale Schicht, eine Epoche u. Ä. treffend charakterisiert.
Drei Beispiele für Anekdoten
Als sich Mark Twain auf einer Vortragstournee durch Europa befand, verbreitete sich das Gerücht, er sei gestorben. Mark Twain kabelte daraufhin die folgende Richtigstellung nach Amerika: "Nachricht von meinem Tode stark übertrieben."
Der dänische Märchenautor Hans-Christian Andersen zog sich zumeist schlampig an. Einmal fragte ihn ein junger Giftpilz: "Dieses jämmerliche Ding auf Ihrem Kopf nennen Sie Hut?" Andersen blieb gelassen und antwortete: "Dieses jämmerliche Ding unter Ihrem Hut nennen Sie Kopf?"
Am Stachus in München sprach ein Fremder den Schauspieler und Komiker Karl Valentin an. Er sagte: "Sie, wie weit ist es denn von hier bis zum Hauptbahnhof?" Valentin sagte: "Wenn Sie so weiter gehen wie bisher, sind es noch circa 40.000 Kilometer. Wenn Sie aber umdrehen, bloß fünf Minuten."
Weitere Anekdoten findest du auf blueprints im Bereich "Humor und Anekdoten".
„Je mehr ich las, umso näher brachten die Bücher mir die Welt, umso heller und bedeutsamer wurde für mich das Leben.“
Die Kurzgeschichte
Ihren Ursprung hat die Kurzgeschichte in der amerikanischen Short Story. Wie der Begriff bereits sagt, ist das wesentliche Merkmal die Kürze der Geschichte.
Die Sprache ist zumeist schlicht und ungekünstelt. Die Sätze sind zumeist ebenfalls kurz und der Ton ist oft umgangssprachlich.
Entstehung der Kurzgeschichte
Ein Grund für die Verbreitung bzw. Entstehung des Genres "Kurzgeschichte" hängt eng zusammen mit dem Zeitschriftenwesen im 19. Jahrhundert. Zeitschriften ermöglichten den amerikanischen Autoren bessere Absatzmöglichkeiten als der Buchmarkt. Das Genre Kurzgeschichte entstand.
In der englischsprachigen Literatur waren es zum Beispiel Edgar Allan Poe, F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway und William Faulkner, die auch short stories schrieben.
Erste Kurzgeschichte der Weltliteratur
Welche die erste Kurzgeschichte der Weltliteratur ist, ist nicht eindeutig zu beantworten. Zwei Geschichten gehören auf jeden Fall in den Kreis der Mitanwärter.
Einige sehen Edgar Allan Poes Kurzgeschichte "Metzengerstein" als die erste Kurzgeschichte an. Sie erschien erstmals 1832 im "Philadelphia Saturday Courier". Die Geschichte handelt von den wohlhabenden, über den Tod hinaus verfeindeten Familien Berlifitzing und Metzengerstein. Zu Poe sehr passend, endet die Geschichte in einem flammenden Inferno.
Andere hingegen denken, dass Washington Irvings Geschichten "Rip Van Winkle and The Legend of Sleepy Hollow" die ersten Kurzgeschichten der Weltliteratur sind. 1820 erschienen die Geschichten als Teil eines Sketch Books.
Wie dem auch sei, Poes und Irvings Kurzgeschichten sind brillant und lesenswert.
Kurzgeschichten in Deutschland
Im deutschsprachigen Raum wurde die Kurzgeschichte erstmals um 1900 aufgegriffen. Hier musste diese moderne literarische Form sich zunächst gegen andere etablierte Kurzformen wie die Novelle, Anekdote und Kalendergeschichte durchsetzen. Eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der Kurzgeschichte in Deutschland war die Gruppe 47. Die Gruppe 47 war ein Zusammenschluss von Schriftstellern der Nachkriegszeit. Seit 1950 wird der Preis der Gruppe 47 verliehen - einer der bedeutendsten Literaturpreise der Bundesrepublik.
„Eine gut erzählte Geschichte macht aus den Ohren Augen.“
Chinesisches Sprichwort
Kurzgeschichten heute
2013 wurde die kanadische Schriftstellerin Alice Munro der Literaturnobelpreis verliehen. Das Spannende war, dass ihr Werk ausschließlich aus Kurzgeschichten besteht, was dem Genre Kurzgeschichte weltweit starke Aufmerksamkeit verschaffte.
Das Internet hat zu einem weiteren Aufleben der Kurzgeschichten geführt. Ob die Verbreitung der klassischen Kurzgeschichten auf Portalen wie gutenberg.de bis hin zu Portalen, wo jeder seine Kurzgeschichten veröffentlichen kann, Kurzgeschichten sind beliebter denn je.
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100 Kurzgeschichten, Geschichten, Fabeln und Anekdoten
Nun viel Freude beim Lesen der Kurzgeschichten, Geschichten, Fabeln und Anekdoten auf blueprints.de:
Das Brot - Kurzgeschichte von Wolfgang Borchert
Plötzlich wachte sie auf. Es war halb drei. Sie überlegte, warum sie aufgewacht war. Ach so! In der Küche hatte jemand gegen einen Stuhl gestoßen. Sie horchte nach der Küche. Es war still. Es war zu still, und als sie mit der Hand über das Bett neben sich fuhr, fand sie es leer. Das war es, was es so besonders still gemacht hatte; sein Atem fehlte.
Weiterlesen: Das Brot - Kurzgeschichte von Wolfgang Borchert
Der alte Löwe und der Fuchs
Ein greiser, schwacher Löwe lag in seiner Höhle und war nicht mehr in der Lage Beute zu jagen.
Er war im Begriff zu verhungern. In seiner Not ließ der Löwe in seinem Reich die Nachricht von seinem nahen Tode verbreiten. Er befahl allen Untertanen, an die königliche Höhle zu kommen, wo er von jedem persönlich Abschied nehmen wolle.
Der Hund und das Stück Fleisch von Aesop
Ein großer Hund hatte einem kleinen, schwächlichen Hündchen ein dickes Stück Fleisch abgejagt. Er brauste mit seiner Beute davon. Als er über eine schmale Brücke lief, fiel zufällig sein Blick ins Wasser. Wie vom Blitz getroffen blieb er stehen, denn er sah unter sich einen Hund, der gierig seine Beute festhielt.
Weiterlesen: Fabel - "Der Hund und das Stück Fleisch" - Aesop
Der Löwe und das Mäuschen – Aesop
Ein Mäuschen lief über einen schlafenden Löwen. Dieser erwachte und packte es mit seinen gewaltigen Tatzen.
"Verzeih mir meine Unvorsichtigkeit", flehte das Mäuschen. "Ich habe dich nicht stören wollen. Schenke mir mein Leben, ich will dir ewig dankbar sein."
Großmütig schenkte der Löwe ihm die Freiheit und lächelte in sich hinein: "Wie will wohl ein Mäuschen einem Löwen dankbar sein?"
Eine Geschichte von Selma Lagerlöf, der heutigen Sprache angepasst von Peter Bödeker
Eine Räubermutter, welche in einer Räuberhöhle oben im bergigen Göinger Wald im Norden von Dänemark hauste, hatte sich eines Tages auf einen Bettelzug in das Flachland hinunter begeben. Der Räubervater selbst war ein ausgestoßener Mann und durfte den Wald nicht verlassen, sondern musste sich damit begnügen, den Wegfahrenden aufzulauern, die sich trotz der Gefahr in den Wald wagten.
Doch zu der Zeit, als der Räubervater und die Räubermutter ihr Leben in dem Göinger Wald fristeten, gab es im nördlichen Schonen nicht allzu viel Reisende. Wenn es sich also begab, dass der Räubervater ein paar Wochen lang Pech bei seiner Jagd hatte, dann machte sich die Räubermutter auf ihre Wanderschaft. Sie nahm ihre fünf Kinder mit, und jedes der Kleinen hatte zerlumpte Fellkleider und Holzschuhe an und trug auf dem Rücken einen Sack, der gerade so lang war wie das Kind selbst. Diesmal jedoch sollte die Reise das Leben der Räuberfamilie für alle Zeit verändern.
Fabel | Die Taube und die Ameise | Moral
Die Fabel
An einem heißen Sommertag flog eine durstige Taube an einen kleinen, rieselnden Bach. Sie gurrte vor Verlangen, neigte ihren Kopf und tauchte den Schnabel in das klare Wasser. Hastig saugte sie den kühlen Trunk.
Doch plötzlich hielt sie inne. Sie sah, wie eine Ameise heftig mit ihren winzigen Beinchen strampelte und sich verzweifelt bemühte, wieder an Land zu strampeln.
Die Schildkröte und der Hase
Eine Schildkröte wurde wegen ihrer Langsamkeit von einem Hasen verhöhnt. Da forderte die Schildkröte den Hasen zu einem Wettlauf heraus, den der Hase, mehr aus Scherz als aus Prahlerei, annahm. Der Tag des Wettlaufs kam. Das Ziel wurde bestimmt und die beiden Kontrahenten betraten die Bahn.
Der Fuchs und die Trauben (von Aesop)
Ein Fuchs schlich sich an einen Weinstock heran. Sein Blick hing sehnsüchtig an den dicken, blauen, überreifen Trauben. Er stützte sich mit seinen Vorderpfoten gegen den Stamm, reckte seinen Hals empor und wollte ein paar Trauben erwischen, aber sie hingen zu hoch.
Fabel vom Skorpion und der Schildkröte
Ein König fragte einst seinen Wesir: "Was hat es denn nun mit der Geschichte von der Schildkröte und dem Skorpion auf sich?"
Der Wesir erzählte: "Verehrter König! Die Geschichte verlief so: Eines Tages lag eine Schildkröte am Ufer eines Flusses in der Sonne. Da begann es zu brennen und die Schildkröte wollte ans andere Ufer fliehen.
Text, Interpretation und Audio:
Wolfgang Borchert "Nachts schlafen die Ratten doch"
Das hohle Fenster in der vereinsamten Mauer gähnte blaurot voll früher Abendsonne. Staubgewölke flimmerte zwischen den steilgereckten Schornsteinresten. Die Schuttwüste döste.
Er hatte die Augen zu. Mit einmal wurde es noch dunkler. Er merkte, dass jemand gekommen war und nun vor ihm stand, dunkel, leise. Jetzt haben sie mich! Dachte er. Aber als er ein bisschen blinzelte, sah er nur zwei etwas ärmlich behoste Beine. Die standen ziemlich krumm vor ihm, dass er zwischen ihnen hindurchsehen konnte. Er riskierte ein kleines Geblinzel an den Hosenbeinen hoch und erkannte einen älteren Mann. Der hatte ein Messer und einen Korb in der Hand. Und etwas Erde an den Fingerspitzen.
Weiterlesen: Text & Interpretation: Wolfgang Borchert "Nachts schlafen die Ratten doch"
Zwei Freunde und ein Bär | Fabel von Äsop
Zwei Freunde versprachen sich gegenseitig, sich in allen Fällen treu beizustehen und Freud und Leid miteinander zu teilen. So traten sie ihre Wanderschaft an.
Unvermutet kam ihnen auf einem engen Waldwege ein Bär entgegen. Vereint hätten sie ihn vielleicht bezwungen. Da aber dem einen sein Leben zu lieb war, verließ er, ebenso bald vergessend, was er kurz vorher versprochen hatte, seinen Freund und kletterte auf einen Baum. Als sich der andere nun verlassen sah, hatte er kaum noch Zeit, sich platt auf den Boden zu werfen und sich tot zu stellen, weil er gehört hatte, dass der Bär keine Toten verzehre.
Leo Tolstoi - Der Igel und das Kalb - Interpretation der Fabel
Ein Kalb entdeckte einen Igel und sprach: "Ich fresse dich!"
Der Igel wusste nicht, dass Kälber keine Igel fressen, erschrak, rollte sich ein und fauchte: "Versuch es doch!"
Mit erhobenem Schwanz fing das einfältige Kalb an zu hüpfen, stieß mit den Hörnern in die Luft, spreizte die Vorderfüße und beleckte den Igel.
"Oi, oi, oi", brüllte das Kalb und rannte zur Kuh-Mutter und beklagte sich: "Der Igel hat mich in die Zunge gestochen."
Weiterlesen: Leo Tolstoi - Der Igel und das Kalb - Interpretation
Das letzte Geschenk | eine Weihnachtsgeschichte
Großmutter fiel aus dem Rahmen. Gäste empfing sie liegend - auf ihrem Diwan. Stets glomm dabei eine schwarze Zigarettenspitze zwischen Zeige- und Mittelfinger. Ganz Greta Garbo.
Keine Familienfeier, auf der Omi meiner Mutter nicht durch einen anzüglichen Witz die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte. Sogar Vater stand mitunter der Mund offen.
Ich liebte meine Großmutter. Über alles!
Die Gaben der Tiere | eine Weihnachtsgeschichte
So konnte es nicht weitergehen! Alle Tiere des Hofes hatten sich im langen Stallgebäude vor der Schafweide versammelt. Es musste etwas geschehen, und jetzt war die passende Zeit dafür: Weihnachten. Da waren sich alle Tierbewohner der Farm einig. Doch was sollte man tun? Niemand konnte mit den Menschen reden. Sogar die schlaue Stute Herminda schnaubte ratlos mit ihren Nüstern.
"Darf ich einen Vorschlag machen?"
Alle Versammlungsmitglieder verstummten. Woher kam die schnatternde Stimme? Die Tiere blickten verwirrt von einem zum anderen.
Die Stute und der Ackergaul
Eine hübsche Stute war Tag und Nacht auf der Weide und nie vor dem Pflug; ein Ackergaul aber weidete nur des Nachts und musste tagsüber pflügen.
Die Stute sagte zum Ackergaul: "Warum rackerst du dich so ab? Ich an deiner Stelle würde einfach nicht hingehen. Und wenn dir der Bauer mit der Peitsche kommt, komm du ihm mit deinen Hufen!"
Am andern Morgen tat der Ackergaul genau das, was ihm die Stute geraten hatte. Und der Bauer sah, wie störrisch der Ackergaul war, und nahm die Stute ins Geschirr, ehe sie recht merkte, was mit ihr geschah.
Leo Tolstoi (1828 - 1910), russischer Schriftsteller
Der Eber und der Fuchs
Ein Fuchs sah einen Eber seine Hauer an einem Eichstamme wetzen und fragte ihn, was er da mache, da er doch keine Not, keinen Feind vor sich sehe?
"Wohl wahr", antwortete der Eber, "aber gerade deswegen rüste ich mich zum Streit; denn wenn der Feind da ist, dann ist es Zeit zum Kampf, nicht mehr Zeit zum Zähnewetzen."
Aesop (um 550 v. Chr.), griechischer Sklave und Fabeldichter
Original-Moral: Bereite dich im Glück auf das künftige Unglück, sammle und rüste in guten Tagen auf die schlimmern.
Merops
"Ich muss dich doch etwas fragen", sprach ein junger Adler zu einem tiefsinnigen, grundgelehrten Uhu. "Man sagt, es gäbe einen Vogel mit Namen Merops, der, wenn er in die Luft steige, mit dem Schwanze voraus, den Kopf gegen die Erde gekehrt, fliege. Ist das wahr?"
"Ei nicht doch!", antwortete der Uhu, "das ist eine alberne Erdichtung des Menschen. Er mag selbst ein solcher Merops sein, weil er nur gar zu gern gen Himmel fliegen möchte, ohne die Erde auch nur einen Augenblick aus dem Gesichte zu verlieren."
Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781), deutscher Schriftsteller
Weiterlesen: Fabel - Merops - Gotthold Ephraim Lessing - Interpretation, Bedeutung
Die drei Söhne von Leo Tolstoi
Drei Frauen trafen sich am Brunnen beim Wasser holen. Nicht weit davon saß ein alter Mann auf einer Bank und hörte, wie die Frauen ihre Söhne lobten.
"Mein Sohn", sagte die erste, "ist so geschickt, dass er alle anderen hinter sich lässt ..."
"Mein Sohn", stand die zweite Frau nicht nach, "singt so schön wie die Nachtigall! Es gibt keinen, der eine so schöne Stimme hat wie er ..."
"Und warum lobst du deinen Sohn nicht?", fragten sie die Dritte, weil diese schwieg.
Der kluge Dichter von Aesop
Der Fabeldichter Aesop war in seiner Jugend Sklave. Eines Tages befahl sein Herr, dass die Sklaven sich für eine längere Reise mit dem notwendigen Gepäck beladen sollten. Aesops Blick erspähte einen hoch mit Broten gefüllten Korb, der das schwerste Stück der Lasten war und lief gleich darauf zu, um sich seiner zu bemächtigen.
Die anderen, die nach leichten Bürden suchten, lachten ihn wegen seiner Unklugheit aus.
Die traurige Geschichte vom wilden Hund
Eisig jagte der Wind über die Felder und das Land lag seit vielen Wochen unter einer mächtigen Schneedecke. Zugefroren waren Bäche und Weiher. Das Leben schien erstarrt.
Zum Schutz vor der Kälte hatte sich ein wilder Hund in einer Höhle verkrochen und er fror jämmerlich. Immer wieder stand er zitternd auf und rollte sich ein wenig mehr zusammen.
Weiterlesen: Die traurige Geschichte vom wilden Hund - Aesop
Es war einmal ein König, dem kam der Gedanke, dass man niemals einen Fehlschlag erleiden könnte, wenn man stets im Voraus wüsste, wann jedes Ding zu beginnen sei, mit welchen Menschen man sich abzugeben habe und mit welchen nicht und welche der zu lösenden Aufgaben die allerdringendste wäre.
Nachdem der König darüber nachgegrübelt hatte, ließ er im ganzen Lande verkünden, dass er denjenigen königlich belohnen wolle, der ihn lehren würde, wie man für jede Aufgabe die richtige Zeit finden könnte, welches die wichtigsten Leute seien und welche Aufgabe am dringlichsten sei.
Da erschienen beim König gelehrte Leute und gaben ihm die verschiedensten Ratschläge. Einige meinten, man müsse sich ein Verzeichnis der Tage, der Monate und des Jahres machen und sich streng danach richten. Wieder andere behaupteten, dass es unmöglich sei, im Voraus zu wissen, welche Aufgabe zu einer bestimmten Zeit zu erledigen sei. Man müsse einfach stets auf den Gang der Dinge achten, um im gegebenen Augenblick das Notwendigste zu tun. Die dritte Gruppe behauptete, dass ein einzelner Mensch nicht in der Lage sei, immer die richtige Entscheidung zur rechten Zeit zu treffen. Deshalb brauche er weise Ratgeber, auf die er hören müsse, um dann entsprechend zu handeln. Die vierte Gruppe meinte, dass es Dinge gäbe, die keinen Aufschub zuließen. In solchen Fällen habe man sofort eine Entscheidung zu treffen, ohne die Meinung seiner Ratgeber einzuholen. Um aber zu wissen, was in solchen Fällen zu tun sei, müsse man im Voraus wissen, was geschehen würde, und das könnten nur Zauberer oder Wahrsager wissen.
Eine muslimische Geschichte von Nisami, die von Goethe übersetzt wurde, von Jesus handelt und durchaus auch von einem Taoisten stammen könnte:
Herr Jesus, der die Welt durchwandert,
ging einst an einem Markt vorbei;
ein toter Hund lag auf dem Wege,
geschleppet vor des Hauses Tor,
ein Haufe stand ums Aas umher,
wie Geier sich um Äser sammeln.
Der eine sprach: "Mir wird das Hirn
von dem Gestank ganz ausgelöscht."
Der andre sprach: "Was braucht es viel,
der Gräber Auswurf bringt nur Unglück."
So sang ein jeder seine Weise,
des toten Hundes Leib zu schmähen.
Als nun an Jesus kam die Reih,
sprach, ohne Schmähn, er guten Sinns,
er sprach aus gütiger Natur:
"Die Zähne sind wie Perlen weiß."
Dies Wort macht den Umstehenden,
durchglühten Muscheln ähnlich, heiß.
von Nisami, übersetzt von Goethe
Das Pferd - eine Fabel von Novalis
Ein Wolf sagte zu einem Pferde: "Warum bleibst du denn dem Menschen so treu, der dich doch sehr plagt, und suchst nicht lieber die Freiheit?"
"Wer würde mich wohl in der Wildnis gegen dich und deinesgleichen verteidigen", antwortete das philosophische Pferd, "wer mich pflegen, wenn ich krank wäre, wo fände ich solches gutes, nahrhaftes Futter, wo einen warmen Stall? Ich lasse dir gern für das alles, das mir meine Sklaverei verschafft, deine Chimäre von Freiheit. Und selbst die Arbeit, die ich habe, ist sie Unglück?"
Novalis, eigentlich Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker, 1772 - 1801
Anmerkung: Eine Chimäre bezeichnet in diesem Zusammenhang ein Trugbild.
Vogel Rock und die Wachtel
Es lebte einmal ein Riesenvogel namens Rock. Sein Rücken war so hoch wie der Berg Tai, und wenn er seine Flügel ausbreitete, dann waren sie weit wie die Wolken, die den Himmel bedecken.
Sobald er sich in die Lüfte erhob, begann ein ungeheurer Sturm, und wenn er hoch über den Wolken unter dem tiefblauen Himmel dahinschwebte, legte er mit einem einzigen Flügelschlag tausend Meilen zurück.
Einmal flog er vom Norden zum Südlichen Meer. "Was er nur hat?", wunderte sich eine Wachtel und konnte das Lachen nicht verbergen. "Ich hüpfe hier von Ast zu Ast oder vergnüge mich unten in den Büschen. Das genügt mir völlig. Wo der bloß hin will!"
Merke: Wenn der Horizont verschieden ist, sind es auch die Gedanken.
Aus China
Eine Geschichte darüber, wie Unzufriedenheit in Zufriedenheit verwandelt werden kann.
"Hilfe! Wir werden noch wahnsinnig. Es muss etwas passieren." Antonio zog mit beiden Händen an seinen wuscheligen Haaren. Er lebte zusammen mit seiner Frau, den Schwiegereltern und seinen vier Kindern in einer 1-Zimmer-Wohnung in der Altstadt.
"Aber was sollen wir tun? Wir können uns doch keine größere Wohnung leisten!" Maria, seine Frau, hob hilflos die Arme.
"Es ist die Hölle. Den ganzen Tag brüllt irgendwer, wir schreien uns an, ich habe mich heute schon dreimal mit deinem Vater gestritten." Antonio blickte stumpf auf den Küchentisch und fuhr mit den Fingern die Holzmaserungen nach. Die kleine Belana, gerade ein Jahr alt geworden, krabbelte zwischen seinen Beinen hindurch.
"Vielleicht weiß der Meister einen Rat?" Seine Frau zog fragend die Augenbrauen hoch.
Antonio wippte abwägend den Kopf hin und her. Wie sollte der weise Mann bei diesem Problem helfen können? Dann schlug er mit der Faust auf den Tisch, die kleine Belana fiel vor Schreck einfach um. "Ich werde gleich hingehen und ihn um Rat fragen. Schaden kann es ja nichts."
Beim Meister
Zu Antonios Überraschung meinte der Alte schon nach kurzer Überlegung, eine Lösung für das Problem zu kennen. "Aber zunächst verspreche mir, genau das zu tun, was ich dir als Lösung vorschlage", forderte der Meister.
Drei Stiere schlossen miteinander ein Bündnis, jede Gefahr auf der Weide mit vereinten Kräften abzuwehren; so vereinigt, trotzten sie sogar dem Löwen, dass dieser sich nicht an sie wagte.
Als ihn eines Tages der Hunger arg plagte, stiftete er Uneinigkeit unter ihnen. Sie trennten sich, und nach nicht acht Tagen hatte er alle drei, jeden einzeln, angegriffen und verzehrt.
Eintracht gibt Stärke und Sicherheit, Zwietracht bringt Schwäche und Verderben.
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Eine Fabel mit Meister Ki - Der knorrige Baum
Meister Ki vom Südweiler wanderte zwischen den Hügeln von Schang. Da sah er einen Baum, der war größer als alle andern. Tausend Viergespanne hätten in seinem Schatten Platz finden können.
Der Meister Ki sprach: "Was für ein Baum ist das! Der hat gewiss ganz besonderes Holz."
Die weise Krähe | eine Fabel der Eskimos
Das Land der Eskimos wurde von der Ur-Krähe erschaffen. Als sie die Insel Nunivak fast fertiggestellt hatte, hatte ihr Helfer eine Idee. Sein Name ist Ur-Nerz und er war bekannt für seine vielen Ideen.
Ur-Nerz wollte auf der Südseite einen gigantischen Berg aufschütten. Er sagte zur Ur-Krähe: "Der Berg soll den Eskimos zur Freude dienen und er soll eine besondere Kraft haben. Die alten Frauen und Männer sollen auf den Berg gebracht werden. Wenn sie dann den Abhang hinunterrutschen, werden sie jünger und jünger. Wenn sie unten ankommen sind, werden sie wieder Kinder sein."
Eine Eichhörnchen-Geschichte: die Legende vom Jaron-Kobel
Einst hatte Miss Rose ihr Zuhause bei einer Frau, die mit ihrem Sohn Gill in einfachen Verhältnissen lebte. Sie brauchte alle Zeit und Kraft, um ihren Sohn, Miss Rose und sich mit dem Notwendigsten zu versorgen.
Seit Wochen holte Miss Rose den kleinen Gill aus der Schule ab. Als sie an diesem Tag durch die Brombeerhecke an der Schule schlüpfte, sah sie, wie Gill von drei Jungen umringt war.
Der größte von ihnen sagte: "Deine blöden Ideen will doch keiner hören. Ein fliegendes Fahrrad; eine Uhr, die spricht. Pah! Du bist ein Trottel von armen Eltern. Du bist ein Spinner und wirst nie dazugehören."
Die drei Jungen zerrten Gill zur Dornenhecke und warfen ihn hinein.
Einer der Drei bespuckte Gill noch, bevor sie ihn alleine mit Miss Rose zurück ließen.
Abends schmierte Gills Mutter seine Wunden ein. Sie küsste ihren Sohn auf die zerkratzte Stirn und sagte: "Lass mich Dir eine traurig schöne Geschichte erzählen, lieber Gill. Mein Opa war Förster und er hat sie mir als junges Mädchen erzählt. Es ist die Legende vom Jaron-Kobel."
Miss Rose lag unter dem Bett und spitzte die Ohren.
Eine nachdenkenswerte Geschichte - Der kleine Krieger
Einst gab es einen großen König, der war auch ein meisterhafter Krieger. Er war stolz darauf, dass ihn keiner besiegen konnte. Doch eines Tages, bei einer Jagd, sah er etwas, das ihm seine Zuversicht nahm.
Der König starrte auf einen Pfeil, der genau im Zentrum einer winzig kleinen Zielscheibe steckte, welche auf einen Baum aufgemalt war. Der König wusste aus seiner Ausbildungszeit, dass ein solcher Schuss extrem schwierig war. Er würde nie einen solch perfekten Pfeil schießen können. Da war er sich sicher.
"Wer war dies?", frage der König spontan. Gleichzeitig überkam ihn eine Angst, dass sich der Schütze irgendwo verborgen hielt und vielleicht gerade auf ihn zielte. Mit solch einer Fähigkeit würde er ihn von großer Distanz mühelos treffen.
Als der König zurück in den Palast kam, sendete er einen ganzen Trupp aus, diesen Krieger zu suchen und zu finden. Die Männer gaben sich alle Mühe und durchsuchten den gesamten Wald, doch sie entdeckten keine Spur von dem Unbekannten.
Und es kam schlimmer.
Ein Esel warf einmal eine Löwenhaut um sich her, lustwandelte mit stolzen Schritten im Wald und schrie sein 'Ia Ia' aus allen Kräften, um die andern Tiere in Schrecken zu setzen.
Alle erschraken, nur der Fuchs nicht. Dieser trat keck vor ihn hin und höhnte ihn: "Mein Lieber, auch ich würde vor dir erschrecken, wenn ich dich nicht an deinem 'Ia' erkannt hätte. Ein Esel bist und bleibst du!"
Mancher Einfältige in prächtigem Gewande gälte mehr, wenn er schwiege, denn: Mit Schweigen sich niemand verrät.
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Der Hase mit den Hörnern - eine Fabel von Jean de La Fontaine
Ein Häschen tummelte sich ausgelassen an einem wunderschönen Sommermorgen auf einem freien Plätzchen, das von dichtem Buschwerk umgeben war. Hier fühlte es sich sicher. Vergnügt hopste es über ein paar Heidebüschel, sauste übermütig im Kreis umher und wälzte sich mit Wohlbehagen im sonnengewärmten Sand. Es zersprang fast vor Lebenslust und wusste vor Glück nicht wohin mit seinen Kräften.
Aber plötzlich duckte es sich blitzartig in einer kleinen Erdmulde nieder. Ein Hirsch setzte über die Büsche hinweg, und gleich darauf folgte ein Widder. Danach trampelte auch noch ein schwerer Stier respektlos quer durch das sonnige Morgenreich des kleinen Häschens.
"Unverschämte Bande", kreischte das Häschen, "mir meinen schönen Morgen so zu verderben!" Kaum hatte es sich wieder aufgerappelt, sprang eine Ziege über die Sträucher. "Halt", schrie das Häschen, "was soll das bedeuten, wo läuft ihr denn alle hin?"
Weiterlesen: Der Hase mit den Hörnern - eine Fabel von Jean de La Fontaine
Fabel "Ein alter Elefant" von Johann Heinrich Pestalozzi
Er war nicht der Klügste seiner Art. Er bekam aber wegen des Ansehens, das er unter den Tieren seines kleinen Bezirks hatte, einen so guten Namen, dass ihn die Tiere des großen Landes baten: "Werde unser König!"
Er wollte anfangs nicht und sagte: "Ich will bei meinen Tieren leben und sterben." Aber auch diese baten ihn: "Nimm die Ehre an und werde ein König."
Endlich war er bereit und tat es, aber die Folgen waren fatal.
Weiterlesen: Fabel "Ein alter Elefant" von Johann Heinrich Pestalozzi
Das Rebhuhn und die Hühner
Ein Hühnerfreund kaufte ein Rebhuhn, um es in seinem Hof mit seinem anderen Geflügel laufen zu lassen, allein die Hühner bissen und trieben es stets vom Fressen ab. Dies schmerzte das Tier sehr, denn es glaubte, es geschehe ihm diese Zurücksetzung, weil es fremd sei; betrübt zog es sich in einen Winkel zurück.
Bald aber tröstete es sich, als es sah, dass sich die Hühner untereinander ebenso bissen und sprach zu sich: "Wenn diese schlechten Tiere Feindseligkeiten sogar gegen sich selbst ausüben, so werde ich wohl eine solche Behandlung mit Gleichmut ertragen können."
Geiz und Missgunst sind die größten Feinde des Friedens!
Aesop, um 550 v. Chr., griechischer Sklave und Fabeldichter
Die Lerche und ihre Jungen – Fabel von August Friedrich Ernst Langbein
Hoch wallte das goldene Weizenfeld und baute der Lerche ein Wohngezelt. Sie flog einst in Geschäften aus und kam erst am Abend wieder nach Haus. Da rief der Kindlein zitternde Schar:
"Ach, Mutter, wir schweben in großer Gefahr. Der Herr dieses Feldes, der furchtbare Mann, ging heut' mit dem Sohn hier vorbei und begann: 'Der Weizen ist reif, die Mahd muss geschehn. Geh, bitte die Nachbarn, ihn morgen zu mähn.'"
"Oh", sagte die Lerche, "dann ist es noch Zeit; nicht flugs sind die Nachbarn zu Diensten bereit."
"Ich Unglücklicher!", klagte ein Geizhals seinem Nachbarn. "Man hat mir den Schatz, den ich in meinem Garten vergraben hatte, diese Nacht entwendet und einen verdammten Stein an dessen Stelle gelegt."
"Du würdest", antwortete ihm der Nachbar, "deinen Schatz doch nicht genutzt haben. Bilde dir also ein, der Stein sei dein Schatz; und du bist nichts ärmer."
"Wäre ich schon nichts ärmer", erwiderte der Geizhals; "ist ein andrer nicht um so viel reicher? Ein andrer um so viel reicher! Ich möchte rasend werden."
Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781), deutscher Schriftsteller
Der Mann, der Mönch und der Diamant - und weitere Weisheiten und Empfehlungen
Ein Mann ging zu einem Mönch, als dieser in seinem Dorf Rast machte und rief im zu: "Gib mir sofort den Stein, den Edelstein!"
Der Mönch antwortete: "Von welchem Stein sprichst du".
Der Mann sagte: "Heute Nacht ist mir Gott im Traum erschienen und sagte zu mir: Morgen um die Mittagszeit wird ein Mönch durchs Dorf kommen, und wenn er dir den Stein gibt, den er bei sich trägt, wirst du der reichste Mann des ganzen Landes. Also her mit dem Stein!"
Ein Wolf hatte ein Schaf erbeutet und verschlang es so gierig, dass ihm ein Knochen im Rachen stecken blieb. In seiner Not setzte er demjenigen eine große Belohnung aus, der ihn von dieser Beschwerde befreien würde. Der Kranich kam als Helfer herbei; glücklich gelang ihm die Kur, und er forderte nun die wohlverdiente Belohnung.
"Wie?" höhnte der Wolf, "du Unverschämter! Ist es dir nicht Belohnung genug, dass du deinen Kopf aus dem Rachen eines Wolfes wieder herausbrachtest? Gehe heim, und verdanke es meiner Milde, dass du noch lebest!"
Hilf gern in der Not, erwarte aber keinen Dank von einem Bösewichte, sondern sei zufrieden, wenn er dich nicht beschädigt.
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Anekdote zu einer lebensverändernden Anerkennung
In seiner Radioserie (Paul Harvey News and Comment) "Der Rest der Geschichte" erzählte Paul Harvey (legendärer US-Radiokommentator) einmal, wie aufrichtige Anerkennung das ganze Leben eines Menschen ändern kann.
Er berichtete, wie vor Jahren eine Lehrerin ihren Schüler Stevie Morris bat, ihr dabei zu helfen, eine Maus zu finden, die sich ins Schulzimmer verirrt hatte. Damit zollte sie der Tatsache Anerkennung, dass Stevie eine Gabe hatte, die außer ihm sonst keiner in der Klasse besaß.
Es lief ein Hund durch einen Strom und hatte ein Stück Fleisch im Maul; als er aber das Spiegelbild vom Fleisch im Wasser sah, dachte er, es wäre auch Fleisch, und schnappte gierig danach. Als er aber das Maul auftat, entfiel ihm das Stück Fleisch, und das Wasser trug es weg; also verlor er beides: das Fleisch und das Spiegelbild.
Martin Luther, deutscher Reformator, 1483 - 1546
Ein Märchen aus Japan
Es war einmal ein Mann, der auf seiner Reise mitten im Gebirge von der Dunkelheit überfallen wurde. Er suchte im Stamm eines hohlen Baumes Obdach. Gegen Mitternacht versammelten sich Elfen auf dem freien Platz vor dem Baum, und der Mann, aus seinem Versteck hervorlugend, geriet vor Schreck außer sich.
Der frischgekrönte König von Rikania, seine Hoheit Trubor Dallante, gerade einmal 25 Jahre jung, strebte danach, ein guter und gerechter Herrscher zu werden. Er war überzeugt davon, dass der oberste Führer eines Königreiches nach weisem Rat streben sollte. Aber wie sollte er diesen finden? Wer konnte ihn als Herrscher kompetent beraten?
Die Lehrer des vorigen Königs buhlten wohl um seine Gunst. Doch ihn störte deren Geltungsdrang und er erkannte in ihren Ratschlägen allzu oft die Verstrickungen in die Interessen ihrer Familien. So beschloss er, in seinem Reich auf die Suche nach Weisheit zu gehen. Jedoch fand er zunächst etwas anderes ...
Im Dschungel herrscht angsterfüllte Aufregung. Der Tiger hat eine Liste geschrieben. Eine Liste des Todes. Viele der Dschungelbewohner haben Angst, auf dieser Liste zu stehen.
Das alte Stachelschwein nimmt allen Mut zusammen und geht zur Höhle des Tigers und fragt ihn:
Die Zeit mit Papa
Im Fernsehen laufen die Abendnachrichten. Papa kommt von der Arbeit heim, der Sohn - schon in Schlafkleidung - springt mit einer Umarmung an ihm hoch.
"Papa, Papa, wie viel Geld bekommst du für eine Stunde Arbeit?"
Papa schaut den Sohn argwöhnisch an. Will der Kleine das hundertste Spielzeug von seinem mühsam verdienten Geld kaufen?
"Warum willst du das wissen?", fragt er barsch zurück.
Der 50-jährige Antipasti-Händler Tobias erlitt eines schönen Frühlingsmorgens auf dem Weg zum Markt mit seinem Transporter einen schweren Unfall. Er schlug hart mit den Rippen auf das in die Fahrerkabine gedrückte Lenkrad. Die Diagnose der Ärzte: Mindestens acht Wochen strengste Bettruhe in einem Stützkorsett, das jegliches Aufrichten oder Drehen verhindert. Mit Glück würde er danach wieder gehen können.
Niedergeschlagen ließ er sich von der Schwester in ein Zwei-Bett-Zimmer schieben. Seinen Bettnachbarn an der Fensterseite, einen betagten Herrn mit ungesunder Gesichtsfarbe, grüßte er halbherzig und versank sogleich in düstere Schwermut. Apathisch starrte er auf die weiße Decke. Wie würde es mit ihm weitergehen? Würde er wieder auf dem Markt stehen können? Welche Alternativen hätte er?
Wenn er doch wenigstens eine Partnerin hätte, auf die er in dieser schweren Zeit bauen könnte. Jetzt rächte sich sein eigenbrötlerischer Lebensstil, den er seit vielen Jahren kultivierte. Hin und wieder löste sich in ihm ungewollt ein Stöhnen oder ein leises Seufzen.
Tobias war in einen dämmrigen Halbschlaf voller trüber Fantasien gefallen, als die Schwester erneut in das Krankenzimmer hereinkam. Aus den Augenwinkel nahm er wahr, wie sie den Kopfbereich des Bettes vom Alten am Fenster elektrisch hochfuhr, so dass dieser aufrecht sitzend aus dem Fenster schauen konnte. Was dieser dort sah, konnte Tobias nicht erkennen. Sein Kopf war durch das Stützkorsett in seinem Bewegungsradius fast vollständig eingeschränkt.
Nachdem die Schwester das Zimmer wieder verlassen hatte, begann der Greis, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden, zu sprechen: "Ich habe Flüssigkeit in der Lunge und werde jeden Tag für eine Stunde aufgerichtet. Das ist für mich die schönste Zeit des Tages. Möchten Sie, dass ich Ihnen schildere, was ich hier sehe?"
Der Löwe, ein Schaf und andere Tiere gingen zusammen auf die Jagd. Der Löwe schwur, er wolle nach ihrer Zurückkunft alles Erbeutete mit ihnen redlich teilen. Als nun ein Hirsch in einem Sumpfe steckenblieb, wo gerade das Schaf Wache hielt, meldete dieses dem Löwen den Vorfall.
Der Löwe eilte herbei, erwürgte den Hirsch und teilte die Beute in vier gleiche Teile.
"Der erste Teil gehört mir", sagte er nun zu den Umstehenden, "weil ich der Löwe bin; der zweite, weil ich der Herzhafteste unter euch bin; den dritten müsst ihr mir als dem Stärksten überlassen, und den werde ich auf der Stelle erwürgen, welcher mir den vierten abspricht."
So behielt der Löwe den ganzen Hirsch, ohne dass es seine Jagdgenossen auch nur wagen durften, darüber zu klagen.
Mit einem starken Gewalttätigen gehe nicht gemeinschaftlich auf Geschäfte aus, er teilet immer zum Nachteil des Schwächeren.
Aesop, um 550 v. Chr., griechischer Sklave und Fabeldichter
Weiterlesen: Der Löwe mit anderen Tieren auf der Jagd (von Aesop)
Eine wilde Ziege flüchtete vor den Hunden des Jägers in einen Weinberg und versteckte sich unter den Blättern eines alten Weinstocks. Die Hunde rannten vorbei und die Ziege entkam ihren Verfolgern. Doch dann machte sie einen fatalen Fehler.
Kaum glaubte sie sich außer Gefahr, machte sie sich auch gleich über die Reben her. Sie fraß die Blätter, die kurz zuvor ein Versteck waren und ihr das Leben retteten. Das Fressgeräusch der wilden Ziege machte den Jäger aufmerksam, der weit hinter seinen Hunden herangepirscht war. Er entdeckte auch bald die Ziege und erlegte sie.
"Ach!" seufzte die Ziege sterbend, "mit Recht habe ich diese Strafe verdient, weil ich meinen Beschützer mit schnödem Undank belohnte."
Es ist das größte Unrecht, Wohltaten mit Übel zu vergelten; der Undankbare entgeht selten der verdienten Strafe.
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Das Geheimnis der Steinmauer
Seit Monaten spazierte Virgo täglich an einem Hang entlang, wo ein alter Mann mit dem Bau einer Mauer beschäftigt war. Er sammelte Steine von den umliegenden Feldern, stapelte sie sorgsam aufeinander. Die Mauer wuchs langsam, jeden Tag ein bisschen höher. Dahinter füllte er sie mit Erde auf.
Die zerschundenen Hände des Mannes arbeiteten unermüdlich von der Dämmerung bis in die Dunkelheit. Virgo konnte nicht fassen, wie dieser alte Mann trotz der mühseligen Arbeit stets ein Lächeln trug.
Eines nebeligen Morgens hielt Virgo vor der mittlerweile beeindruckenden Mauer inne. Der alte Mann fügte gerade einen besonders riesigen, widerspenstigen Stein ein. Als er endlich passte, nickte er zufrieden, als würde er einem alten Freund zustimmen.
Fabel "Das kranke Bäumchen" von Johann Heinrich Pestalozzi
Sein Vater hatte es gepflanzt, es wuchs mit ihm auf, er liebte es wie eine Schwester und wartete seiner wie seiner Kaninchen und seiner Schäfchen.
Aber das Bäumchen war krank; täglich welkten seine Blätter. Das gute Kind jammerte; riss ihm täglich die welkenden Blätter von seinen Zweigen und goss dann auch täglich gutes, nährendes Wasser auf seine Wurzeln.
Weiterlesen: Fabel "Das kranke Bäumchen" von Johann Heinrich Pestalozzi
An einem feuchten Wintertag beäugte ein Spatz aus seinem trockenen Nest heraus, wie ihm ein Gorilla missmutig im kalten Regen auf dem Ast gegenüber saß. In bestem Bestreben gab er dem Gorilla einen Rat. Hätte er mal besser geschwiegen ...
Wenn ich mein Leben nochmals leben könnte ...
Wenn ich mein Leben nochmals leben könnte, würde ich versuchen, mehr Fehler zu begehen. Ich würde nicht immer perfekt sein wollen, würde mich vielmehr die meiste Zeit eher entspannen.
Ich wäre ein wenig ausgefallener, als ich es gewesen bin, kurzum:
Von zwei Hähnen, welche um Hennen miteinander kämpften, behielt der eine die Oberhand über den andern. Der Überwundene zog sich zurück und verbarg sich an einem dunklen Orte; der Sieger aber flog aufwärts, stellte sich auf eine hohe Wand und krähte mit lauter Stimme. Da schoss jählings ein Adler herab und nahm ihn mit sich fort. Nunmehr kam der Versteckte ungehindert wieder aus seinem Unterschlupf hervor und gesellte sich zu den Hennen.
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Die Hohlköpfigkeit der Durchschnittsameise
Samuel Langhorne Clemens - besser bekannt als Mark Twain - war ein amerikanischer Schriftsteller. Die meisten kennen seine Bücher über die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn.
Seine humoristische Schreibweise und scharfzüngige Gesellschaftskritik brachte auch großartige Kurzgeschichten hervor - wie die von der Hohlköpfigkeit der Durchschnittsameise. Bitte frage dich beim Lesen, ob er wirklich über Ameisen schreibt. ;-)
Weiterlesen: Die Hohlköpfigkeit der Durchschnittsameise (von Mark Twain)
Vor langer Zeit plagte Häuptling Norbu vom Amdo-Stamm in der tibetanischen Hochebene ein schwieriges Problem. Er spürte das Ende seiner Zeit, die er unter den schneebedeckten Gipfeln des Himalayas verbringen durfte, gekommen und somit wurde es höchste Zeit, einen Nachfolger zu finden. Laut den Gesetzen des Stammes musste das jemand sein, der von der Gargya-Blutsverwandtschaft abstammt. Somit kamen nur seine drei Söhne in Frage. Doch welchen sollte er als künftiges Oberhaupt des Stammes einsetzen? Er stellte ihnen eine unmögliche Aufgabe ...
Brückenverbindung: Zwei Seelen, ein Schicksal!
Tom spürte mit jedem Schritt, wie ein stechender Schmerz durch seinen Magen zog. Er hielt inne, biss seine Fingernägel immer kürzer und starrte auf den Boden. Eine Drei in Deutsch - wie sollte er das nur seinen Eltern erklären?
Sein Vater würde vor Wut explodieren, und seine Mutter würde den ganzen Tag in Schweigen verharren. Dieses Bild, so vertraut und doch so quälend, ließ ihn nicht los. Er war es leid, ständig die Enttäuschung in den Augen seiner Eltern zu sein, immer im Schatten seines perfekten Bruders.
Ein Zwerg wollte hoch scheinen; dafür setzte er sich auf das höchste Ross, das im Lande war. Ein Bauer, der ihn antraf, glaubte, es sitze ein Kind auf diesem Rosse und sagte zu ihm: "Du hast gewiss keinen Vater daheim, dass man dich auf das höchste Ross setzt. Komm, ich will dir herunterhelfen; du könntest sonst zu Tode fallen."
Man denke sich jetzt die Augen des Zwergs, aber auch das Lachen des Bauers, da er sah und erkannte, wen er vor sich hatte.
Johann Heinrich Pestalozzi (1746 - 1827), schweizer Pädagoge und Sozialreformer
Weiterlesen: Fabel "Das hohe Ross und der Zwerg" von Johann Heinrich Pestalozzi
Die Federn einer Gans beschämten den neugeborenen Schnee. Stolz auf dieses blendende Geschenk der Natur glaubte sie eher zu einem Schwane als zu dem, was sie war, geboren zu sein. Sie sonderte sich von ihresgleichen ab und schwamm einsam und majestätisch auf dem Teiche herum.
Das wünsche ich dir, liebe Martha
Marthas Vater lag im Sterben, als er sie eines Abends zu sich rief und sagte: "Martha, hier ist die Uhr, die mein Urgroßvater mir gegeben hat. Sie ist fast 200 Jahre alt.
Bevor ich sie dir gebe, gehe bitte zum Juweliergeschäft in der Innenstadt. Sage ihnen, dass ich die Uhr verkaufen möchte. Mal sehen, was sie uns anbieten."
Am nächsten Tag ging Martha zum Geschäft. Als sie wieder bei ihrem Vater am Bett stand, sagte sie: "Sie haben 300 Dollar angeboten, weil sie so alt ist."
Nun sagte ihr Vater: "Bitte frage im Pfandhaus, was sie dir bieten."
Martha besuchte das lokale Pfandhaus und als sie wieder beim Vater war, sagte sie: "Das Pfandhaus bot 50 Dollar an, weil die Uhr so abgenutzt aussieht und Kratzer im Glas hat."
Nun bat der Vater Martha ins Museum zu gehen und dort die Uhr zu zeigen.
Weiterlesen: Das wünsche ich dir, liebe Martha | Eine blueprints-Geschichte
Katze Miss Rose lebte einst bei einem Psychiater mit Namen Eric in Düsseldorf. Sie durfte dort während der Patientensitzungen in einem Körbchen unter der Heizung liegen.
Eines Tages behandelte Eric einen Bankdirektor, der viele Tränen in seiner ersten Sitzung vergoss. In der zitternden Hand hielt er ein verblichenes Bild, auf dem er mit seinem Vater Hand in Hand in den Sonnenuntergang ging.
Seine Geschichte lautete wie folgt: ...
Einst stritten sich die Sonne und der Wind, wer von ihnen beiden der Stärkere sei, und man ward einig, derjenige solle dafür gelten, der einen Wanderer, den sie eben vor sich sahen, am ersten nötigen würde, seinen Mantel abzulegen.
Ein nachdenkenswerter Wettkampf begann.
Ein Holzhacker kam in einen Wald und bat ihn um die Erlaubnis, etwas Holz zu einem Stiel für seine Axt abhauen zu dürfen.
Der Wald bewilligte es, bald aber hatte er Ursache, seine Entscheidung zu bereuen. Der Holzhacker bediente sich nun seiner Axt, große Äste von den Bäumen abzuhauen und beraubte so den Wald seiner vornehmsten Zierde. Der gute Wald konnte es nicht verwehren, denn er hatte dem Holzhauer die Waffe selbst in die Hände gegeben.
Es bedienen sich Undankbare oft der empfangenen Wohltaten gegen ihre Wohltäter.
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Ein Mann kaufte einen Esel, aber nicht gleich endgültig, sondern er machte eine Probezeit aus. Als er mit ihm in seinen Hof kam, wo schon mehrere Esel teils bei der Arbeit, teils bei der Abfütterung waren, ließ er ihn frei laufen. Sogleich trottete der neue zu dem faulsten und gefräßigsten Gefährten und stellte sich zu ihm an die Futterkrippe. Da legte ihm der Mann den Strick wieder um den Hals und brachte ihn dem bisherigen Besitzer zurück.
"So schnell kannst du ihn doch gar nicht erprobt haben", wunderte sich der.
"O mir genügt, was ich gesehen und erfahren habe: Nach der Gesellschaft, die er sich ausgesucht hat, ist er ein übler Bursche!"
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Missmutig über den Tod seiner Erschlagenen, neigte ein siegender König sein Haupt gegen den Boden. Ein Schmeichler, der merkte, was den Fürsten drückte, zeigte ihm zahllose am Boden liegende Blätter unter einer Linde und fragte den König: "Werden diese nicht wieder wachsen?"
Weiterlesen: Fabel "Was ist der Mensch Blatt oder Stamm?" von Johann Heinrich Pestalozzi
Die Bienen, unwillig darüber, dass sie nur für die undankbaren Menschen arbeiten sollten, brachten dem Jupiter die feinsten Waben zur Gabe und erbaten sich von ihm die Gnade, er möchte ihren Stacheln die Eigenschaft verleihen, recht empfindliche Schmerzen zu verursachen.
"Es sei", sprach Jupiter, ergrimmt über die Rachgier dieser so kleinen Tierchen, "aber so, dass auch ihr zugleich mit dem Stachel euer Leben lasset!"
Lass dich vom Hasse nicht betören, denn seine Folgen können oft für dich selbst gefährlich werden.
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Ein Ochsentreiber fuhr mit einem Wagen, welcher mit Holz schwer beladen war, nach Hause.
Als der Wagen im Moraste stecken blieb, flehte sein Lenker, ohne sich selbst auch nur im Geringsten zu bemühen, alle Götter und Göttinnen um Hilfe an. Vor allem bat er den wegen seiner Stärke allgemein verehrten Herkules, ihm beizustehen.
Da soll ihm dieser erschienen sein und ihm seine Lässigkeit also vorgeworfen haben: "Lege die Hände an die Räder und treibe mit der Peitsche dein Gespann an, zu den Göttern flehe jedoch erst dann, wenn du selbst etwas getan hast; sonst wirst du sie vergeblich anrufen."
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Miss Rose wohnte einst bei einem Anhänger des Bahai-Glaubens. Ein gottesfürchtiger Mann, dessen Rat in seiner Gemeinde geschätzt wurde. Er hieß Sahid Batun und war Mitglied des örtlichen Geistigen Rates. Vieles, was in seiner Religion als Verhalten gefordert wurde, fand Wohlgefallen bei Miss Rose. Zudem war Sahid ein einfacher Mann, der kaum etwas zu seiner Zufriedenheit brauchte. Miss Rose hatte schon immer größeres Vertrauen zu Menschen gehabt, die nur wenig bedurften.
Eines Tages hörte ein Urlauber von dem weisen Bahai in der Stadt und stand unangemeldet vor Sahids Tür. Sahid bat ihn in die kleine Wohnung herein und bot dem Fremden einen Platz auf einer schmalen Holzbank an.
Mathildes Abenteuer - Die Reise beginnt (Band 1)
Kurzgeschichten über Ziele, Wünsche und Sinn
- Sie lesen gerne Geschichten?
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Ein gutes, altes Hausmütterchen weckte ihre Mägde jeden Morgen mit dem ersten Hahnenschrei.
Dieses frühe Aufwecken und Aufstehen ärgerte die Mägde.
"Wäre nur der schreckliche Hahn nicht", sagten sie, "dann dürften wir auch länger schlafen". So sprachen sie und drehten ihm den Hals um.
Doch schon bald wünschten sie ihn ins Leben zurück. Denn nun wurden sie von der Hausfrau, die altershalber wenig schlief und ihre gewohnte Hausuhr, den Hahn, nicht mehr hatte, sogar um Mitternacht geweckt.
Man sucht oft kleinen Unannehmlichkeiten zu entgehen, und kommt in weit größere.
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Ein vor Jägern fliehender Fuchs fand, nachdem er lange in der Wildnis herumgelaufen war, endlich einen Holzhacker und bat denselben inständig, ihn doch bei sich zu verbergen. Dieser zeigte ihm seine Hütte, worauf der Fuchs hineinging und sich in einem Winkel versteckte. Als die Jäger kamen und sich bei dem Manne erkundigten, so versicherte dieser zwar durch Worte, er wisse nichts, deutete aber mit der Hand nach dem Orte hin, wo der Fuchs versteckt war. Allein die Jäger hatten nicht darauf geachtet und entfernten sich sogleich wieder. Wie nun der Fuchs sie fortgehen sah, ging er wieder heraus, ohne etwas zu sagen; und als der Holzhacker ihm Vorwürfe machte, dass er ihm, durch den er doch gerettet worden sei, keinen Dank bezeuge, drehte sich der Fuchs nochmals um und sprach: "Ich wüsste dir gerne Dank, wenn die Werke deiner Hand und deine Gesinnung mit deinen Reden im Einklange ständen."
Die Fabel geht diejenigen an, die zwar die Rechtschaffenheit im Munde führen, durch ihre Handlungen aber das Gegenteil an den Tag legen.
Aesop, griechischer Sklave und Fabeldichter, um 550 v. Chr.
Allzu leicht denken wir, dass etwas anderes für uns besser wäre als das, was wir gerade haben. Doch wie auch der Floh in der folgenden Geschichte müssen wir uns auf unvorhergesehene Folgen gefasst machen.
Ein Floh, der im geschorenen Fell eines Hundes wohnte, vernahm eines Tages den angenehmen Geruch von Wolle.
"Was ist denn das?" Der Floh machte einen Sprung und bemerkte, dass sein Hund auf dem Fell eines Hammels eingeschlafen war.
"Welch ein Pelz ist das gegen den meines Hundes?!" sprach der Floh. "Er ist dicker und weicher, und vor allem ist er sicherer. Da besteht keine Gefahr, dass mich die Krallen und Zähne des Hundes erwischen und töten. Außerdem wird das Hammelfell sicherlich wohnlicher sein."
Ohne weiter nachzudenken wechselte der Floh seine Behausung.
Weiterlesen: Der Floh und der Hammel oder: Bedenke die Folgen
von Christian Fürchtegott Gellert, deutscher Dichter, 1715 - 1769
Vorzeiten gab's ein kleines Land,
Worin man keinen Menschen fand,
Der nicht gestottert, wenn er red'te,
Nicht, wenn er ging, gehinkt hätte;
Denn beides hielt man für galant.
Ein Fremder sah den Übelstand;
Hier, dacht er, wird man dich
im Gehn bewundern müssen,
Und ging einher mit steifen Füßen.
Er ging, ein jeder sah ihn an,
Und alle lachten, die ihn sahn,
Und jeder blieb vor Lachen stehen,
Und schrie: "Lehrt doch den Fremden gehen!"
Der Fremde hielt's für seine Pflicht,
Den Vorwurf von sich abzulehnen.
"Ihr", rief er, "hinkt; ich aber nicht:
Den Gang müsst ihr euch abgewöhnen!"
Der Lärmen wird noch mehr vermehrt,
Da man den Fremden sprechen hört.
Er stammelt nicht; genug zur Schande!
Man spottet sein im ganzen Lande.
Gewohnheit macht den Fehler schön,
Den wir von Jugend auf gesehn.
Vergebens wird's ein Kluger wagen
Und, dass wir töricht sind, uns sagen
Wir selber halten ihn dafür,
Bloß, weil er klüger ist als wir.
Gellert galt zeitlebens als meistgelesener deutscher Schriftsteller.
Vor vielen Jahren holte Hausdiener Kildram jeden Morgen zwei Krüge Wasser aus dem Fluss Madrub zum Haus seines Herrn. Die beiden Krüge hängte er an die Enden eines Holzstabes, den er über der Schulter trug.
Einer der beiden Krüge bekam eines Tages einen Sprung, so dass er auf dem Weg vom Fluss bis zum Haus die Hälfte seines wertvollen Inhaltes verlor. Dieser Krug bemühte sich nach Kräften, seinen Riss wieder zu verschließen. Doch so sehr er sich auch anstrengte, es tröpfelte immer etwas heraus. Der beschädigte Krug wurde sehr zornig mit sich.
So ging es ein ganzes Jahr lang, unser kaputter Krug wurde von Tag zu Tag trauriger. Dann hielt er es nicht mehr aus. Mit Verzweiflung in der Stimme wendete er sich an Kildram und klagte:
Und die Sonne machte den weiten Ritt um die Welt,
Und die Sternlein sprachen: "Wir reisen mit
Um die Welt";
Und die Sonne, sie schalt sie: "Ihr bleibt zu Haus!
Denn ich brenn euch die goldnen Äuglein aus
Bei dem feurigen Ritt um die Welt."
Und die Sternlein gingen zum lieben Mond
In der Nacht,
Und sie sprachen: "Du, der auf Wolken thront
In der Nacht,
Lass uns wandeln mit dir, denn dein milder Schein,
Er verbrennet uns nimmer die Äugelein."
"Sagen Sie bitte der Firma, ich rufe zurück sobald ich vom Mittagstisch mit dem Kunden zurückkomme."
Ich nickte meinem Chef schnell noch zu und schnappte Lederjacke, Handtasche und Buch. Etwas lauter als gewollt fiel die Bürotür ins Schloss.
Endlich! Ich hätte keine Sekunde länger mehr auf eine Pause verzichten können.
Eine der Kurzgeschichten aus der Kindle-Version des Buches: "Strandglut 27 Short(s) Stories" von Nika Lubitsch, eingesandt von Gabriele Juin, mit freundlicher Genehmigung von Frau Lubitsch.
Sie waren alle gekommen, zur großen Party:
Das Leid trug, natürlich, schwarz. Mit einem raffinierten kleinen Spitzenschleier.
Beim Glück konnte man kaum hinsehen, sein goldenes Paillettenkleid funkelte und blitzte im Scheinwerferlicht, dass es in den Augen wehtat.
Die Sorgen machten mal wieder einen auf ernst. Typisch. Mausgraue Anzüge, selbst die Krawatten waren wenig kreativ, dafür aber von erster, teurer Qualität.
Die Freude war ganz in Gelb gehüllt und hatte sich eine riesige Sonnenblume ans Kleid geheftet.
Für den Geschmack vom Ärger ziemlich vulgär. Aber Ärger war nun mal ein bisschen verkniffen. Das sah man schon am dunkelgrünen Anzug.
"Grün, ich bitte Sie, das tragen schließlich nur Versager", flüsterte die Bosheit ihrem Nachbarn, dem Neid, zu.
Der Buddhismus ist reich an Geschichten, die den Menschen an seinen inneren Kern führen wollen. Dabei soll meist gezeigt werden, dass der Mensch im Inneren schon alles hat. Es will allerdings frei gelegt werden, so wie der Bildhauer die Figur aus dem Stein befreit.
So auch die Geschichte von den zwei Freunden, die finanziell ganz unterschiedlich gestellt waren. Der reiche Freund lebte in der Hauptstadt des Landes, er besaß dort ein Haus mit Park und mehreren Hausangestellten. Sein Freund hingegen wohnte in einer baufälligen Hütte auf dem Land, er konnte gerade einmal sechs Hühner sein eigen nennen.
Die Beiden trafen sich regelmäßig, doch heute war etwas anders ...
Die Abendsonne beschien mit goldenen Strahlen eine riesige Fichte, die an einer felsigen Berghalde stand. Ihr stachliges Laub prangte im schönsten Grün, und ihre Äste waren wie mit Feuer übergossen und glänzten weit sichtbar. Sie freute sich über ihren Glanz und meinte, all diese Herrlichkeit gehe von ihr selbst aus und sei ihr eigener Verdienst, so dass sie eitel wurde. Prahlend rief sie: "Seht her, ihr anderen Gewächse und Geschöpfe, wo erscheint eines in solcher Pracht wie ich edle Fichte? Gewiss, ihr seid zu bedauern, dass euch der Schöpfer nicht schöner geschmückt hat."
Das hätte sie nicht rufen sollen.
Ein König umgab sich gerne mit Frauen und Männern des Wissens und der Gelehrsamkeit. Selten traf er eine Entscheidung, ohne sich mit ihnen beraten zu haben. Er wollte sicherstellen, richtig und gut zu handeln.
Eines Tages war ein wohlbekannter Wanderheiliger bei Hofe zu Gast. Bei der abendlichen Tafel konnte es sich der König nicht verkneifen, dem alten Mann eine Frage zu stellen.
Vielfalt sieht man überall, jetzt im Frühling. In jeder Ecke, in jedem noch so unscheinbaren Winkel kann man in der Natur einen Farbklecks entdecken. Jede winzige Nische wird genutzt, um eine ganz spezielle Pflanze hervorzubringen. Keine andere könnte gerade da wachsen, Nährstoff- und Umgebungsangebote lassen nur diese eine zu. Und wie oft erfreut sich der zufällig darauf fallende Blick daran.
Gott sei Dank ist es bei uns Menschen genauso. Noch gehören wir ja zur Natur. Warum fällt es uns dann oft so schwer, unsere Einzigartigkeit zu akzeptieren?
Miss Rose lebte einst bei einem Autor. Dieser war ein berühmter Schriftsteller, alle Menschen kannten seinen Namen. Er hat wunderbare, tief berührende Geschichten geschrieben. Miss Rose hat alle seine Bücher gelesen. Sie will uns aber diesmal den Namen des Autors nicht verraten.
Der Autor erhielt von seinem Verlagsleiter den Auftrag, ein Werk zu schaffen, welches die Herzen der Leser nachhaltig bewegen möge und welches in ihrem Geist eine Ahnung von Weisheit aufkommen lasse.
Nachdem der Autor den Brief mit der Bitte erhalten hatte, blickte er lange auf Miss Rose, die wie üblich neben seinem Schreibtisch unter der Heizung lag.
Miss Rose liebte schon immer diese Plätze an den Öfen der Menschenhäuser.
Dann machte der Autor erst einmal fünf Tage lang nichts, er saß einfach nur da. In dieser Zeit brachte er kein Wort zu Papier …
Hunde machten auch vor Miss Rose nicht halt und sie geriet immer wieder in Situationen, in denen sie flüchten musste. Aber sie machte es stets mit Bedacht und überlegte sich immer, wenn sie sich hinlegte oder neue Gebiete betrat, was der beste Fluchtweg wäre.
Eine Fabel des griechischen Dichters Aesop erinnerte sie stets daran, Vorsicht walten zu lassen. Und die Geschichte geht so:
Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm.
Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floss ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen musste sich der alte Großvater hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in einem Schüsselchen und noch dazu nicht einmal satt; da sah er betrübt nach dem Tisch, und die Augen wurden ihm nass.
Einmal auch konnten seine zitterigen Hände das Schüsselchen nicht festhalten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er sagte aber nichts und seufzte nur.
Da kaufte sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Heller, daraus musste er nun essen. Wie sie da so sitzen, so trägt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen.
"Was machst du da?" fragte der Vater. "Ich mache ein Tröglein", antwortete das Kind, "daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin."
Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an, fingen an zu weinen, holten den alten Großvater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mitessen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete.
Aus der Märchensammlung der Brüder Grimm, basiert auf Johann Michael Moscheroschs Mahngedicht Kinderspiegel von 1643
Zen-Meister Min-To weinte bitterlich. Sein jüngster Sohn Maru war vom Pferd gefallen. Sein Genick brach, er war sofort tot.
"Warum weint Ihr, Meister?", fragte einer seiner Schüler vorsichtig. "Ihr lehrtet uns doch, dass alles Illusion sei."
"Das stimmt auch", antwortete der Meister, "alles ist Illusion. Doch der Tod eines Kindes ist die Größte aller Illusionen."
Ein Vogelsteller hatte viele Köstlichkeiten geschickt auf seinem Herd ausgebreitet und einen Lockvogel dazugesetzt, der vortrefflich singen konnte
Die Vögel in der Nachbarschaft hörten diesen Gesang, flogen herbei und sprachen: "Was hier für ein Überfluss von Speisen daliegt! Und wie freundlich uns unser Geselle, dem selbst so wohl ist, dazu einlädt! Wir wollen diese Gelegenheit benützen!"
Kaum hatten sie zu fressen angefangen, so fiel das Garn, und sie verloren Freiheit und Leben.
Ein Vogel nur hatte sich entfernt gehalten, und der Lockvogel rief ihm zu: "Wer hat dich allein so klug gemacht, dass du nicht näher kommst?"
"Eine einfache Lehre meines Vaters! - Sohn, sagte er oft, wenn man dir einen Vorteil zeigt, gar so groß und gar so leicht zu erlangen, so hüte dich, denn gemeiniglich liegt Betrug im Hinterhalte."
August Gottlieb Meißner, deutscher Universitätsprofessor, Schriftsteller, 1753 - 1807
Auf dem Hühnerhof erkrankte der Hahn so schwer, dass man nicht mehr damit rechnen konnte, dass er am nächsten Morgen krähen werde. Die Hennen machten sich daraufhin große Sorgen und fürchteten, dass die Sonne an diesem Morgen nicht aufgehe, wenn das Krähen ihres Herrn und Meisters sie nicht rufe.
Arbeite! Das ist das einzige Gebot auf dieser Welt! Jeder soll seine Aufgabe erfassen und diese soll sein Leben ausfüllen. Es kann eine ganz bescheidene Aufgabe sein, aber sie ist deswegen doch etwas Nützliches und Wertvolles. Es kommt nicht darauf an, worin sie besteht, wenn sie nur da ist und aufrechterhält. Wenn du sie ausführst, ohne das Maß dabei zu überschreiten, gerade so viel als du jeden Tag leisten kannst, dann wirst du gesund und froh leben.
Émile François Zola, französischer Schriftsteller und Journalist, 1840 - 1902