Der frischgekrönte König von Rikania, seine Hoheit Trubor Dallante, gerade einmal 25 Jahre jung, strebte danach, ein guter und gerechter Herrscher zu werden. Er war überzeugt davon, dass der oberste Führer eines Königreiches nach weisem Rat streben sollte. Aber wie sollte er diesen finden? Wer konnte ihn als Herrscher kompetent beraten?
Die Lehrer des vorigen Königs buhlten wohl um seine Gunst. Doch ihn störte deren Geltungsdrang und er erkannte in ihren Ratschlägen allzu oft die Verstrickungen in die Interessen ihrer Familien. So beschloss er, in seinem Reich auf die Suche nach Weisheit zu gehen. Jedoch fand er zunächst etwas anderes ...
König Dallante kleidete sich als einfacher Mann und verließ am Nachmittag durch den Hinterausgang seinen Palast. Er streifte durch die Gassen der Hauptstadt und hielt Ausschau nach Zeichen von Klugheit, von Lebensweisheit. Nach einigen Stunden Wanderschaft in der Kälte fror ihn und sein Magen verlangte ein warmes Mahl.
Er kam an einer kärglichen Hütte vorbei, deren Dach notdürftig mit Treibgut geflickt war. Angelockt von flackerndem Schein trat er an das kleine Fenster. Drinnen saß ein vollbärtiger Mann alleine bei Tisch vor einer dampfenden Suppe. Eine einzelne Kerze mitten auf der Anrichte verstrahlte anheimelndes Licht. Die Hände des Mannes waren wie zum Gebet gefaltet und seine Lippen bewegten sich bei geschlossenen Augen. Die Atmosphäre des Raumes weckte im König ein Gefühl warmer Geborgenheit. Spontan klopfte er an.
"Was wünscht Ihr zu solch später Stunde, guter Mann?", begrüßte ihn der Vollbärtige.
"Würdet Ihr vielleicht Euer Mahl mit mir teilen? Die Geschäfte heute liefen schlecht, so dass mir kein Geld für ein warmes Essen geblieben ist", entgegnete der König.
"Dann tretet ein, meine Suppe genügt für uns beide."
Der König begab sich zum Tisch und begann seinen großgewachsenen Gastgeber auszufragen, während dieser einen zweiten Teller aufdeckte. "Womit verdient Ihr Euren Lebensunterhalt, guter Mann?"
"Ich flicke kaputte Schuhe", antwortete der Mann, der sich als Orman Allando zu erkennen gab, und reichte dem König einen Löffel. "Ich mache mich morgens mit meinem Handwerkszeug auf in die Stadt und repariere alle Schuhe, die mir von den Leuten vor die Tür gestellt werden. Am Abend kaufe ich mir vom Lohn mein Essen, hin und wieder kann ich sogar mein Werkzeug ergänzen. Je nachdem, wie der Tag seinen Segen verteilt hat."
"Eure Bescheidenheit gefällt mir", murmelte König Dallante. "Aber was würdet Ihr tun, wenn morgen keiner mehr einen Schuh zum Flicken herausstellen würde?"
"Morgen?", lächelt Allando, "Morgen? Wieso soll ich über eine morgige Eventualität grübeln, an der ich doch jetzt ohnehin nichts zu ändern vermag? Oder mir gar Sorgen darüber bereiten? Das Leben sei gelebt Tag für Tag, Moment für Moment."
Nachdenklich verabschiedete sich der König.
Am nächsten Morgen trat Allando in aller Frühe ins Freie und las direkt an einem Laternenmast gegenüber:
Erlass des Königs:
Das Schusterhandwerk ist ab heute auf den Straßen
der Hauptstadt Rikania verboten.
"Merkwürdig", dachte Allando, "was doch dem König für seltsame Erlasse in den Sinn kommen. Nun gut, dann werde ich mich heute als Wasserträger verdingen. Wasser benötigen die Bürger immer und der Weg vom Brunnen mitsamt der Wasserlast ist für viele beschwerlich."
Am Abend hatte er wieder genug Geld für eine warme Mahlzeit verdient. Wieder kam der - weiterhin verkleidete - König nach Eintritt der Dämmerung zu ihm zum Essen.
"Ich habe mir schon Sorgen gemacht, als ich heute früh den Erlass des Königs bemerkte", begann er scheinheilig das Gespräch. "Wie kommt es, dass Ihr trotzdem wieder ein warmes Mahl vor Euch stehen habt?"
Der ehemalige Schuster berichtete von seinem Einfall, sich als Wasserträger feilzubieten.
"Aber was wird morgen sein, guter Mann, wenn Ihr keinen findet, der Euch fürs Wassertragen entlohnt?"
"Morgen", entgegnete Allando, wieder lächelnd. "Morgen? Das Leben sei gelebt Tag für Tag, Moment für Moment."
Wie es der Zufall wollte, war am nächsten Morgen ein neuer Erlass des Königs am Laternenpfahl angeschlagen:
Erlass des Königs:
Ab heute dürfen sich nur Bürger als Wasserträger verdingen,
die eine Sondererlaubnis des Königs vorweisen können.
"Seltsam", dachte der Mann wieder, "die Einfälle des Königs werden immer sonderbarer." Sein Blick fiel auf den Holzhaufen neben der Gartenpforte. Er griff sich die Axt und entschied, sich heute als Holzhacker anzubieten. Er würde die Scheite zerkleinern und die Holzscheite stapeln.
Am folgenden Abend lugte der König abermals zum Fenster herein. Und wieder sah er Allando beim Dankgebet vor der dampfenden Mahlzeit sitzen. Diesmal trat er ohne anzuklopfen ein und ließ sich das Tageswerk von Allando erzählen. Erneut konnte er sich die Frage nicht verkneifen: "Wie ich sehe, konntet Ihr heute wieder ein Mahl verdienen. Aber was wird sein, wenn Ihr morgen keine Arbeit als Holzfäller findet?"
"Morgen?" Allando schmunzelte den König an.
Dieser schaute ihn unschlüssig an, lächelte kurz zurück und entschwand.
Der nächste Morgen begrüßte Allando mit Vogelgezwitscher und Sonnenschein. Tatendurstig griff er zur Axt und machte sich auf den Weg zu den Häusern der Stadt. Da kam wie aus dem Nichts ein Trupp Soldaten um die Ecke.
"Ihr da mit der Axt", rief ihm der Truppführer entgegen, "Erlass des Königs: Ihr müsst heute vor den Toren des Königspalastes Wache stehen. Last die Axt zuhause, Ihr erhaltet ein Schwert von uns. Folgt mir."
Allando stand den ganzen Tag vor dem Eingangsportal des Palastes. Er erhielt keinen Lohn außer dem Schwert, das er für künftige Wachaufträge behalten sollte. Erst am späten Nachmittag kam er zum Stadtmarkt. Dort sprach er zu seinem Stammhändler: "Heute habe ich keinen Lohn für meine Arbeit bekommen. Doch in diesen Tagen habe ich neuerdings jeden Abend einen Gast zu Tisch. Ich lasse Euch dieses Schwert zum Pfand, bitte gebt mir, was ich für ein Mahl benötige."
Als der König am Abend bei ihm eintrat, ließ er sich die Geschichte vom ausbleibenden Lohn und dem Schwert als Pfandleihe erzählen. Verwundert hakte er nach: "Aber ich sehe doch ein Schwert in eurer Scheide." Der Mann blinzelte ihm zu und zog das Schwert heraus. Es war aus Holz. Allando hatte es noch am Abend in seiner Werkstatt nachgebaut, da er morgen schon wieder Wache halten musste.
"Aber was macht Ihr, wenn der Soldat morgen Eure Waffe inspizieren möchte und Ihr kein richtiges Schwert vorweisen könnt?"
"Morgen", entgegnete Allando, wieder lächelnd. "Morgen? Das Leben sei gelebt Tag für Tag, Moment für Moment. Der morgige Tag bringe das Seinige."
Am nächsten Morgen trat Allando beim Betreten des Palasthofes eine Palastwache entgegen. Der Wächter zog einen an den Händen gefesselten Gefangenen hinter sich her.
"Ihr da, mit dem Schwert, kommt rüber. Ich habe hier einen Mörder. Du wirst ihn jetzt sofort hinrichten", herrschte ihn die Palastwache an.
"Ich?", fragte Allando verwirrt, "ich werde keinen Menschen töten."
"Du musst", entgegnete die Palastwache, "der Befehl kommt direkt vom König."
Mittlerweile hatten sich mehrere Schaulustige um die Drei versammelt, man wollte sich die anstehende Hinrichtung nicht entgehen lassen. Die Palastwache zwang den Gefangenen auf die Knie und deutete Allando unmissverständlich, nun sein Schwert zu ziehen und das notwendige Werk zu vollenden.
Allando suchte den verzweifelten Blick des Gefangenen. Rund um dessen Augen und Mund zeigten sich unzählige Lachfalten. Konnte dies wirklich ein Mörder sein?
Einer Eingebung folgend warf sich Allando ebenfalls auf die Knie, faltete die Hände gen Himmel und rief mit lauter Stimme: "Gott im Himmel, weise mir den Weg. Wenn dieser Gefangene zurecht sterben soll, lasse mein Schwert in der Sonne blitzen. So er aber unschuldig ist, wandle mein Schwert zu Holz."
Alle Blicke richteten sich auf die Schwertscheide Allandos. Mit einem Ruck zog er die Waffe heraus und hielt sie in die Höhe.
"Seht doch, es ist aus Holz. Der Mann ist unschuldig", rief die Menge aus. Ein Jubel ob des göttlichen Eingreifens brach unter den Schaulustigen aus.
Da bahnten die Soldaten eine Gasse durch die Gaffer und König Dallante trat vor Allando. Er gab sich als Herrscher zu erkennen, legte Allando eine Hand auf die Schulter und fragte mit lauter Stimme, so dass alle Umherstehenden es hören konnten: "Zu Beginn habe ich Eurer Gelassenheit nicht getraut, verehrter Mann. Viermal habe ich Euch geprüft. Und ebenso oft habt Ihr gezeigt, dass Ihr Eure Weisheit wirklich zu leben wisst. Wollt Ihr ab heute Eure Lebensklugheit als mein Berater allen Menschen unseres Landes zur Verfügung stellen?"
Nacherzählt von Peter Bödeker
Die Königin von Saba über Weisheit
Die Königin von Saba über die Weisheit - zeitlose Zeilen der geheimnisvollen Königin
Diese Zeilen sind über 3.000 Jahre alt. Haben sie heute noch Gültigkeit oder ist das romantisierende Poesie? Was denkst du?
„... mit was unter dem Himmel soll man die Weisheit vergleichen? Sie ist süßer als Honig und erfreulicher als Wein. Sie ist leuchtender als die Sonne und begehrenswerter als kostbare Edelsteine. Sie macht fetter als Öl, satter als süße Leckerbissen und ruhmreicher als Mengen von Gold und Silber.
Sie spendet Freuden für das Herz, schenkt den Augen Licht, beflügelt die Füße, ist ein Panzer für die Brust, ein Helm für das Haupt, eine Kette für den Hals, ein Gürtel für die Lenden. Sie verkündet den Ohren und unterweist das Herz. Sie kann die Kenntnisreichen noch etwas lehren, sie tröstet die Klugen, sie schenkt den Suchenden Ansehen ...“
Königin von Saba
Geschichte: Frieden im Sturm
Einst startete ein mächtiger König, der im Volk aufgrund seiner weisen Herrschaft beliebt war, in seinem Land einen Malwettbewerb. Gesucht wurde das beste Bild zum Thema Frieden. Die Künstler des Landes machten sich voller Eifer ans Werk. Zu Hunderten gingen die Gemälde im Palast ein. Die große Schlosshalle musste geräumt werden, damit das Auswahlgremium alle Bilder begutachten konnte.
Am Ende blieben zwei Bilder übrig. Der König sollte das Bessere küren. Seine Wahl überraschte ...
Geschichte: 2 Mönche auf der Suche nach dem Raum des Glücks
Eine Glücksgeschichte: Zwei Mönche auf der Suche nach dem Raum des Glücks
Eine Glücksgeschichte: Zwei Mönche auf der Suche nach dem Raum des Glücks
Zwei Mönche hatten vom Raum des Glücks gehört. In diesem Raum soll der Mensch Zugang zu seinem wahren Selbst erlangen, tiefen inneren Frieden genießen und wahres Glück erleben. Man könne darin sogar mit Gott kommunizieren.
Die Mönche leisteten einander den Schwur, nicht eher zu ruhen, bis sie den Raum des Glückes gefunden hätten.
Sie fingen an, in ihrer Klosterzelle alle Bücher über alte Sagen zu studieren, derer sie habhaft werden konnten. Eines Tages klatschte einer der beiden Mönche vor Freude in die Hände.
"Ich hab es gefunden!"