Brückenverbindung: Zwei Seelen, ein Schicksal!
Tom spürte mit jedem Schritt, wie ein stechender Schmerz durch seinen Magen zog. Er hielt inne, biss seine Fingernägel immer kürzer und starrte auf den Boden. Eine Drei in Deutsch - wie sollte er das nur seinen Eltern erklären?
Sein Vater würde vor Wut explodieren, und seine Mutter würde den ganzen Tag in Schweigen verharren. Dieses Bild, so vertraut und doch so quälend, ließ ihn nicht los. Er war es leid, ständig die Enttäuschung in den Augen seiner Eltern zu sein, immer im Schatten seines perfekten Bruders.
Unter der alten Eisenbahnbrücke, wo die Welt für einen Moment still zu stehen schien, hielt Tom inne. Seine Augen funkelten zornig, als er nach oben blickte. Er warf seinen Ranzen und den Turnbeutel voller Wut ins Gras und begann, den steilen Hang hinauf zu rennen.
Sein Herz schlug wild, als er die Bahngleise erreichte, die sich vor der alten Brücke erstreckten. Er balancierte auf einer Schiene, seinen Blick fest auf die Mitte der Brücke gerichtet. Mit einem beherzten Sprung erreichte er den Wartungsgang und schwang sich geschickt auf das Geländer.
"Warum hast du eigentlich keine Eins in Sport?", hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich.
Perplex fuhr Tom herum. Keine fünf Meter entfernt saß Geoffrey, sein Klassenkamerad, lässig auf dem Brückengeländer sitzend.
"Was machst du da?", rief Tom. "Das ist doch wahnsinnig gefährlich!"
"Ach, komm schon! Und du? Bist du etwa hier, um Fische zu fangen?", entgegnete Geoffrey mit einem spöttischen Unterton.
"Du willst doch nicht etwa ... springen?", fragte Tom, seine Stimme zitterte.
"Warum denn nicht?", murmelte Geoffrey, sein Blick schien leer und weit entfernt.
"Aber du bist doch der Star unserer Klasse. Du hast alles - gute Noten, eine tolle Freundin, jeder mag dich. Bist du verrückt?", rief Tom.
"Ja, und du? Du hast eine Familie, einen liebevollen Bruder.
Und ich? Ich lebe allein in einem Heim, träume von meiner zerbombten Heimat und einer Familie, die ich nie wiedersehen werde", entgegnete Geoffrey mit einem Hauch von Bitterkeit.
Ein tiefes, schweres Schweigen legte sich über die beiden.
Dann, wie von einer unsichtbaren Kraft geführt, stiegen sie gleichzeitig vom Geländer herunter, traten aufeinander zu und umarmten sich, als würden sie in diesem Moment all ihre Sorgen und Ängste teilen.
Gemeinsam balancierten sie auf den Gleisen, Seite an Seite, und begannen, einander ihre tiefsten Ängste und Träume zu erzählen. In dieser Nacht fanden zwei verlorene Seelen einen Moment des Glücks, einen Moment der Freundschaft, hoch über der Welt auf einer alten Eisenbahnbrücke.
Vielen Dank an Pedro S. Schnell für diese Geschichte
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