Miss Rose und das Wesen der Menschen
Wir schreiben das Jahr 55 nach Christi Geburt. Miss Rose lag zu dieser Zeit tagsüber gerne bei einer alten Weberin, die ihr Handwerk am Rande einer vielbegangenen Straße ausübte. Diese führte direkt in eine große Stadt. Wie die Stadt hieß, weiß Miss Rose leider nicht mehr.
Ein Wanderer kam des Weges. Er fragte die alte Weberin: "Seid gegrüßt, ehrenwerte Frau. Sagt: Wie sind die Menschen in der Stadt? Sind es freundliche Zeitgenossen oder muss ich einen schroffen Empfang fürchten?"
"Wie waren sie denn dort, von wo du herkommst?", wollte die Alte wissen.
"Oh, da kann ich mich nicht beschweren. Die Menschen waren dort stets wohlwollend, nett und zuvorkommend zu mir."
"Das freut mich zu hören. Ich kann dich beruhigen. Auch in dieser Stadt werden die Menschen herzlich zu dir sein."
Aufgemuntert pfeifend schritt der Fremde weiter in Richtung Stadt. Miss Rose hatte dem Gespräch ohne große Aufmerksamkeit zugehört und schloss wieder die Augen.
Kurz danach kam der nächste Wanderer und fragte dieselbe Frage.
"Sagt Alte, wie sind die Menschen in der Stadt?"
Wieder wollte die Weberin wissen: "Wie waren sie denn dort, von wo du herkommst?"
"Oh, da kann ich nichts Gutes berichten. Kaltherzig, ungastlich und übellaunig."
"Ja, so sind die Menschen. Auch in dieser Stadt wirst du das Gleiche erleben."
Griesgrämig zuckte der Fremde mit den Schultern und ging grußlos weiter.
Miss Rose muss heute noch schmunzeln, wenn sie an die alte Weberin denkt.
(Nach-)Erzählt von Peter Bödeker
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- Geschrieben von Peter Bödeker
- Zuletzt aktualisiert: 19. Mai 2017
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