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Die Milbe von Novalis
"Nichts ist gewisser", sprach eine Milbe zu der andern, "als dass unser Käse der Mittelpunkt des erhabenen Weltsystems ist und dass wir die besonderen Lieblinge des Allmächtigen sind, weil er uns die vollkommenste Wohnung erschuf."
"Törin", sprach ein Mensch, indem er sie mit ihrem Käse verschlang. "Du denkst, wie viele meiner Brüder denken, du auf deinem Käse, sie auf den ihrigen."
Novalis, eigentlich Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker, 1772 - 1801
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Die Eule und der Sperling (von Novalis)
"Unverschämter! Stiehlst du nicht Kirschen am hellen lichten Tage, vor den Augen aller? O! schreckliche Frechheit!"
So rief eine Eule einem Sperling zu, der sich auf einem Kirschbaum gütlich tat.
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Pferd Novalis
Das Pferd - eine Fabel von Novalis
Ein Wolf sagte zu einem Pferde: "Warum bleibst du denn dem Menschen so treu, der dich doch sehr plagt, und suchst nicht lieber die Freiheit?"
"Wer würde mich wohl in der Wildnis gegen dich und deinesgleichen verteidigen", antwortete das philosophische Pferd, "wer mich pflegen, wenn ich krank wäre, wo fände ich solches gutes, nahrhaftes Futter, wo einen warmen Stall? Ich lasse dir gern für das alles, das mir meine Sklaverei verschafft, deine Chimäre von Freiheit. Und selbst die Arbeit, die ich habe, ist sie Unglück?"
Novalis, eigentlich Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker, 1772 - 1801
Anmerkung: Eine Chimäre bezeichnet in diesem Zusammenhang ein Trugbild.