Das Team um den Psychologen Frances Chen von der Universität Freiburg meint herausgefunden zu haben, dass direkter Blickkontakt für die Überzeugung des Gegenübers von der eigenen Meinung schädlich sein kann. In ihrer Studie zeigte sich, dass Menschen insbesondere dann in die Augen des anderen schauen, wenn sie einer Meinung mit ihm sind. Bestehen Differenzen unterstützt eine dauerhafte Fixierung der Augen eher die Abwehrhaltung des Andersdenkenden.
Bisher hatte sich die Fachliteratur auf den positiven Effekt des Augenkontaktes beschränkt. So gilt es bei Vorträgen als nett und kompetent, wenn der Sprecher die Augen der Zuhörer streift.
Auf der anderen Seite steht direkter Blickkontakt auch als Angriffssignal. Manche Tiere fixieren sich vor dem Kampf mit den Augen, Boxer starren dem Gegner in die Pupillen. Frei nach dem Motto: Wer zuerst wegschaut, hat schon halb verloren. Blickkontakt als Kampfansage und Kraftausdruck.
Die Forscher um Chen stellten zu Beginn ihrer Arbeit die These auf, dass sich der direkte Blickkontakt eines Vortragenden mit seinem Auditorium nachteilig auf die Überzeugungskraft des Redners auswirken könne, und belegten diese anhand zweier Versuchsreihen. Zunächst untersuchten sie das Verhalten von Zuhörern bei politischen Themen wie Atomenergie, Frauenquote oder Sterbehilfe. Vor dem Vortrag wurde die jeweilige Meinung zum Thema erfasst und während des Vortrages der Blickkontakt der Studienteilnehmer mit dem Redner gemessen.
Es zeigte sich hier, dass die Zuhörer den Blick des Redners länger suchten, wenn sie mit ihm einer Meinung waren.
Bei der nächsten Versuchsreihe wurde ein Teil der Zuhörer aufgefordert, den Blick des Redners aktiv zu suchen. Die Kontrollgruppe sollte sich auf das Kinn des Vortragenden konzentrieren. Die Forscher stellten fest, dass der Blick in die Augen des Redners die Bereitschaft der Zuhörer, Gegenargumente zur eigenen Meinung in Betracht zu ziehen, reduzierte. Die Kinnschauer hingegen zeigten sich diesen Gegenargumenten gegenüber messbar offener.
Das Fazit der Forscher: Direkter Blickkontakt entfache eine Dynamik des Beharrens auf der eigenen Anschauung. Wer also jemanden, der nicht seiner Ansicht ist, von dieser überzeugen will, starre besser nicht direkt in die Augen des Gegenübers.
Praktische Anwendung
So Sie in nächster Zeit jemanden von Ihrer Meinung überzeugen möchten, von dem Sie wissen, dass er mit dieser nicht ohne Weiteres einverstanden ist, schauen Sie im Gespräch lieber auf das Kinn Ihres Gegenübers oder auf Ihre Hände. Typischerweise wäre dies bei Gehaltsverhandlungen oder der Diskussion um das nächste Urlaubsziel mit dem Ehepartner der Fall.
Autor: Peter Bödeker