Aus dem Brief an Franz Xaver Kappus vom 12. August 1904
Hinweis: Die Zwischenüberschriften sind von uns eingefügt.
... Wir müssen unser Dasein, soweit als es irgend geht, annehmen; alles, auch das Unerhörte, muss darin möglich sein. Das ist im Grunde der einzige Mut, den man von uns verlangt: mutig zu sein zu dem Seltsamsten, Wunderlichsten und Unaufklärbarsten, das uns begegnen kann.
Sind unsere Sinne verkümmert?
Dass die Menschen in diesem Sinne feige waren, hat dem Leben unendlichen Schaden getan; die Erlebnisse, die man «Erscheinungen» nennt, die ganze sogenannte «Geisterwelt», der Tod, alle diese uns so anverwandten Dinge, sind durch die tägliche Abwehr aus dem Leben so sehr hinausgedrängt worden, dass die Sinne, mit denen wir sie fassen könnten, verkümmert sind. Von Gott gar nicht zu reden.
Die Angst vor Neuem lässt Beziehungen veröden
Aber die Angst vor dem Unaufklärbaren hat nicht allein das Dasein des einzelnen ärmer gemacht, auch die Beziehungen von Mensch zu Mensch sind durch sie beschränkt, gleichsam aus dem Flußbett unendlicher Möglichkeiten herausgehoben worden auf eine brache Uferstelle, der nichts geschieht. Denn es ist nicht die Trägheit allein, welche macht, dass die menschlichen Verhältnisse sich so unsäglich eintönig und unerneut von Fall zu Fall wiederholen, es ist die Scheu vor irgendeinem neuen, nicht absehbaren Erlebnis, dem man sich nicht gewachsen glaubt.
Die Lösung: Stets auf alles gefasst sein
Aber nur wer auf alles gefaßt ist, wer nichts, auch das Rätselhafteste nicht, ausschließt, wird die Beziehung zu einem andren als etwas Lebendiges leben und wird selbst sein eigenes Dasein ausschöpfen. Denn wie wir dieses Dasein des einzelnen als einen größeren oder kleineren Raum denken, so zeigt sich, dass die meisten nur eine Ecke ihres Raumes kennen lernen, einen Fensterplatz, einen Streifen, auf dem sie auf und nieder gehen. So haben sie eine gewisse Sicherheit.
Ein Hoch auf die Unsicherheit
Und doch ist jene gefahrvolle Unsicherheit so viel menschlicher, welche die Gefangenen in den Geschichten Poes drängt, die Formen ihrer fürchterlichen Kerker abzutasten und den unsäglichen Schrecken ihres Aufenthaltes nicht fremd zu sein. Wir aber sind nicht Gefangene. Nicht Fallen und Schlingen sind um uns aufgestellt, und es gibt nichts, was uns ängstigen oder quälen sollte.
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Weiter im Brief:
Wir sind ins Leben gesetzt, als in das Element, dem wir am meisten entsprechen, und wir sind überdies durch jahrtausendelange Anpassung diesem Leben so ähnlich geworden, dass wir, wenn wir stille halten, durch ein glückliches Mimikry von allem, was uns umgibt, kaum zu unterscheiden sind. Wir haben keinen Grund, gegen unsere Welt Mißtrauen zu haben, denn sie ist nicht gegen uns. Hat sie Schrecken, so sind es unsere Schrecken, hat sie Abgründe, so gehören diese Abgründe uns, sind Gefahren da, so müssen wir versuchen, sie zu lieben.
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Zufrieden mit dem Leben sein
Zufrieden mit dem Leben sein – eine Übung mit 6 Schritten und Beispielen
Mein Leben mit ... dem spießigen Nachbarn, den Zuständen in der Welt, dem unperfekten Partner, der intriganten Arbeitskollegin, dem kaputten Auto, dem Minus auf dem Dispo, 5 Kilo zu viel, dem stressigen Job, den fordernden Kindern, der Trennung, dem ständigen Druck ... da draußen gibt es so viel, mit dem ich nicht zufrieden sein kann. Oder vielleicht doch? Versuche doch einmal die folgende Übung in 6 Schritten.
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Weiter im Brief:
Rilkes Rat: Sich an das Schwere halten
Und wenn wir nur unser Leben nach jenem Grundsatz einrichten, der uns rät, daß wir uns immer an das Schwere halten müssen, so wird das, welches uns jetzt noch als das Fremdeste erscheint, unser Vertrautestes und Treuestes werden. Wie sollten wir jener alten Mythen vergessen können, die am Anfange aller Völker stehen, der Mythen von den Drachen, die sich im äußersten Augenblick in Prinzessinnen verwandeln; vielleicht sind alle Drachen unseres Lebens Prinzessinnen, die nur darauf warten, uns einmal schön und mutig zu sehen. Vielleicht ist alles Schreckliche im tiefsten Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will.
Borgeby gård, Flädie, Schweden, am 12. August 1904
Hier findet sich der komplette Brief
Rilke-Gedicht über Werk und Stärke
Immer vorwärts! deine Stärke
liegt in deiner eignen Brust,
nur dass du sie erst durch Werke
unermüdlich wecken musst.
Tändelnd hüpft mit Lebestönen
wohl der Bach durchs flache Land,
doch er stürzt mit Donnerdröhnen
nieder von der Felsenwand.
Erst bei jenen Hindernissen
fühlt er, dass er Stärke barg,
Eichen hat er mitgerissen!
Das bedenke! - und sei stark!
Las nie ungenützt ein Heute
rasch entfliehn bei Lust und Scherz,
manch gute Körnlein streute
dir dein Schicksal in das Herz.
Lass ein jedes sorgsam reifen,
denn für jedes kommt die Frist;
so erst lerne, zu begreifen
wie unendlich stark du bist.
Tief aus deinem Innern ranke
mählich sich zum Licht die Saat,
erst Empfindung, dann Gedanke,
Wort hierauf, und endlich: Tat!
Rainer Maria Rilke: Gesammelte Werke
3 Rilke-Gedicht: Solang ...
Solang du Selbstgeworfnes fängst,
ist alles Geschicklichkeit und lässlicher Gewinn;
erst wenn du plötzlich Fänger wirst des Balles,
den eine ewige Mit-Spielerin dir zuwarf,
deiner Mitte, in genau gekonntem Schwung,
in einem jener Bögen aus Gottes großem Brücken-Bau:
erst dann ist Fangen-Können ein Vermögen,
– nicht deines, einer Welt.
Und wenn du gar zurückzuwerfen Kraft und Mut besäßest,
nein, wunderbarer: Mut und Kraft vergäßest und schon geworfen hättest … (wie das Jahr die Vögel wirft, die Wandervogelschwärme, die eine ältre einer jungen Wärme hinüberschleudert über Meere -) erst in diesem Wagnis spielst du gültig mit. Erleichterst dir den Wurf nicht mehr; erschwerst dir ihn nicht mehr.
Aus deinen Händen tritt das Meteor und rast in seine Räume …
Rainer-Maria Rilke Die Gedichte 1922 bis 1926 (Muzot, 31. Januar 1922)
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Menschen bereuen sterben
Was Menschen bereuen, wenn sie sterben
"Das Sterben und Tod" ist kein einfaches Thema, aber es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, um später nicht zu viel zu bereuen.
Verschiedenste Studien zeigen, dass viele Sterbende vor allem bereuen, nicht genug Zeit mit ihren Lieben verbracht zu haben.
Die Studien belegen auch einen weiteren Punkt eindeutig – es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Leben endlich ist und dass wir jeden Tag bestmöglich nutzen sollten.
Wir sollten uns auf das konzentrieren und das tun, was uns wichtig ist, und nicht die Erwartungen anderer immer wieder in den Vordergrund stellen. Konzentrieren wir uns auf das, was auch uns glücklich macht, dann werden wir am Ende unseres Lebens weniger bereuen.
Was sind nun die Dinge, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Studien am meisten bereuen und was können wir daraus lernen? Mit diesem Thema beschäftigt sich dieser Beitrag.
Bevor du den Artikel liest, reflektiere bitte, was du denkst, was Sterbende am meisten bereuten.