Man muss sich fragen, was der heutigen Menschheit größeren Schaden an ihrer Seele zufügt: Die verblendende Geldgier oder die zermürbende Hast.
Welches von beiden es auch sei, es liegt im Sinne der Machthabenden aller politischen Richtungen, beides zu fördern und jene Motivation zur Hypertrophie zu steigern, die den Menschen zum Wettbewerb antreibt. Meines Wissens liegt noch keine tiefenpsychologische Analyse dieser Motive vor. Ich halte es aber für sehr wahrscheinlich, dass neben der Gier nach Besitz oder nach höherer Rangordnungsstellung, oder nach beidem, auch die Angst eine sehr wesentliche Rolle spielt. Angst im Wettlauf überholt zu werden, Angst vor Verarmung, Angst falsche Entscheidungen zu treffen und der ganzen aufreibenden Situation nicht oder nicht mehr gewachsen zu sein.
Eine der bösesten Auswirkungen der Hast oder vielleicht unmittelbar der Hast erzeugenden Angst ist die offenkundigen Unfähigkeit moderner Menschen, auf nur kurze Zeit mit sich selbst allein zu sein. Sie vermeiden jede Möglichkeit der der selbstbedingten Besinnung und Einkehr mit einer ängstlichen Beflissenheit, als fürchteten sie, dass die Reflektion ihnen ein geradezu grässliches Selbstbildnis entgegenhalten könnte ...
Für die um sich greifende Sucht nach Lärm, die bei der sonstigen Neurasthenie moderner Menschen geradezu paradox ist, gibt es keine andere Erklärung als die, dass irgend etwas übertäubt werden muss.
Konrad Lorenz (aus dem Buch "Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit")