Menschen tun nicht, was richtig, sondern was für sie nützlich ist. Das hört sich sehr egoistisch an. Ist es auch! Haben nicht auch manche Altruisten Freude, Befriedigung und Seelenheil aus ihrer Arbeit - und damit persönlichen Nutzen?
Egoismus wird allerdings dort problematisch, wo er bewusst und absichtlich anderen schadet. Im Leistungssport gewinnen zu wollen ist nicht deshalb unethisch, weil der Verlierer möglicherweise unter seiner Niederlage leidet. Im Sport wissen wir: Wer gewinnen will, muss hart an sich arbeiten, damit er im Rahmen der für die Sportart gültigen Regeln gewinnen kann.
Ist das in der Wirtschaft anders? Soll ein Autohändler darauf hinweisen, dass dem potentiellen Kunden auch ein kleineres, billigeres Fahrzeug reichen würde und er das ersparte Geld lieber in einen Urlaub mit seiner Familie investieren soll? Ethisch wäre dies!
Da aber mit Verkaufen und Führen immer eigene Ziele angestrebt werden - damit muss dem Partner nicht zwangsläufig Schaden entstehen - ist es erfolgssichernd, dem Partner Nutzen zu bieten.
Dabei muss "der Köder dem Fisch schmecken, nicht dem Angler". Nicht was ich für mich als nützlich betrachte, nützt dem anderen, sondern nur, was er für sich als nützlich betrachtet. Fische kann auch ein Schokoladefan nicht mit Schokolade, sondern besser mit ihm möglicherweise eklig erscheinenden Würmern und Maden fangen.
Daraus wird ersichtlich, dass jemand, bevor er erfolgreich verkaufen oder führen will, wissen muss, was für den anderen erstrebenswert ist. Welchen befürchteten Schaden er verhindern und/oder welchen möglichen Nutzen er erreichen will. Wie ein Kriminalist wird die qualifizierte Führungskraft, der qualifizierte Verkäufer das aktive Motiv oder die aktiven Motive erfahren müssen. Es hilft ihm zu wissen, ob sich bei mehreren aktiven Motiven diese addieren oder konkurrieren.
Schon auf die Frage: "Was ist für Sie wichtig?", ergeben sich mehrere Erkenntnisse. Karriere, Einkommen, Sicherheit, Spaß, Entwicklung und andere Antworten, wörtlich formuliert oder aus der jeweiligen Aussage zu erkennen, verraten Motive.
Würde nun die Führungskraft den Wunsch, der Mitarbeiter solle mehr leisten, oder das Ziel, er solle eine bestimmte Aufgabe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigen, bei einem Mitarbeiter, der auf Ansehen Wert legt, mit dem Nutzen Einkommen oder Prämie versehen, wäre dies so, als würde unser Angler seinen Raubfischen Mais anbieten. Die Führungskraft hat ganz sicher mehr Erfolg, wenn sie in dieser Situation die Chance für die Karriere und die Vorbildwirkung anspricht.
Ein Beispiel für einen Verkäufer zeigt das gleiche Prinzip: Legt ein Kunde Wert auf Bequemlichkeit, wäre es wenig Erfolg versprechend, wenn der Verkäufer die sportliche Ausführung oder den günstigen Preis in den Vordergrund stellt.
Nur wer Nutzen bietet, wird als nützlich erlebt und nur der für den Partner spezifische Nutzen kann Motivation auslösen.
Erfolgreiche Führungskräfte und Verkäufer wissen dies und die anderen müssen es lernen.
Autoren: Horst Rückle und Michael Behn, hr-know-how-pool