Schmerzen durchfluten mein linkes Knie und vom langen Sitzen tut mir der Rücken weh. Der Termin beim Kunden war nicht sonderlich erfolgreich verlaufen. Gleich ein Online-Meeting, danach Telefonkonferenzen. Ach ja, und den Führungskräfte-Workshop vorbereiten!
Ich setze den Blinker und biege ab in die Stuttgarter Straße, um den Anstieg Richtung Firma zu fahren. Doch diesmal sind die letzten Meter ganz anders als sonst.
Oje, Herrn Wellenreiter muss ich noch anrufen. Der hat immer etwas zu beanstanden. Der Gedanke "Oh man, das läuft gerade alles nicht" löst einen Schauer des Selbstmitleids aus.
Die Einbahnstraße am Firmengebäude ist mal wieder kreuz und quer zugeparkt. "Können die nicht so parken, dass andere auch noch einen Parkplatz finden?" Meter um Meter entferne ich mich. Ich fluche, denn das muss ich alles gleich zurückhumpeln. Ich schlage auf das Lenkrad und fahre um die nächste Kurve.
Ein skurriles Bild reißt mich aus meinen Gedanken. Ich verlangsame die Fahrt und halte an. Mit offenem Mund sitze ich im Auto. Einige Meter vor mir schiebt eine ältere Dame mit wenigen, dünnen Haaren einen braun-blauen Kinderwagen. Ihr Name ist Frida Stein und sie wohnt ganz in der Nähe. Von einer Kollegin weiß ich, dass sie Krebs hat. Wohl einer von der bösartigen Sorte.
Im Kinderwagen sitzt ein zitternder Pudel, der in eine karierte Wolldecke gewickelt ist. Seine alten Hüften sind wahrscheinlich kaputt. An seinen schwerfälligen Gang - mal auf drei, dann wieder auf vier Beinen - bei der letzten Begegnung kann ich mich gut erinnern.
Frida Stein bleibt stehen, blickt sich zu mir um und lächelt. Sie schiebt den Kinderwagen über die Straße und flüstert dem Hund etwas zu. Was auch immer sie ihm sagte, der Pudel schaut durch seine grauweißen Stirnlocken in meine Richtung und scheint mir ebenfalls zuzulächeln.
Frida Stein und der Pudel sind schon lange nicht mehr zu sehen, als ich - nach wie vor mit einem Kloß im Hals - von wütend klingenden Hupen hochschrecke und wie paralysiert weiterfahre.
Der Blick von Frida Stein taucht noch heute vor mir auf, wenn ich denke: "Das Leben ist ungerecht!"