Hier lesen Sie eine Buchzusammenfassung zu "Miteinander reden: Band 1 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation" von Friedemann Schulz von Thun. Die Kurzfassung wurde von Blinkist erarbeitet und für blueprints zur Verfügung gestellt.
Wer diese Blinks (die Buchzusammenfassung von Blinkist) lesen sollte:
- Jeder, der sich für zwischenmenschliche Kommunikation interessiert
- Jeder, der selbst besser kommunizieren lernen will
- Jeder, der sich manchmal einfach nicht richtig verstanden fühlt
Worum es in den Blinks geht:
Miteinander reden gilt als Klassiker der Kommunikationspsychologie. Im ersten Band erläutert Autor Friedemann Schulz von Thun die Grundlagen für sein Vier-Seiten-Modell und gibt viele praxisnahe Beispiele. Durch den bewussten Umgang mit den unterschiedlichen Seiten lassen sich Streitgespräche lösen und Wege zu einer sachlichen Klärung finden.
Wer das Buch geschrieben hat:
Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun, Jahrgang 1944, ist Hochschullehrer im Fachbereich Psychologie an der Universität Hamburg mit dem Schwerpunkt Beratung und Training. Die Bände seiner Trilogie Miteinander reden haben sich zum Standardwerk in Schule und Beruf entwickelt.
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Was drin ist für dich: Mit dem Vier-Seiten-Modell bewusster kommunizieren.
Wer kennt es nicht - wir sitzen mit unseren Kollegen im Büro, die Stimmung ist ausgelassen, alle albern herum. Dann macht jemand einen Witz über den Kollegen neben uns, alle lachen - aber der Kollege lacht nicht mit. Beim Anblick seiner säuerlichen Miene tritt ein unangenehmes Schweigen ein und die eben noch so gelöste Stimmung ist dahin. Was ist passiert?
Mit solchen Fragen und noch vielen anderen Konfliktsituationen beschäftigt sich Friedemann Schulz von Thun in Miteinander Reden. Sein mittlerweile zum Klassiker gewordenes Werk in drei Bänden legt unserer Kommunikation ein Modell zugrunde, mit dem du alltägliche Streitereien genauso wie Grundsatzdiskussionen effektiver angehen, deine eigenen Gedanken besser vermitteln und dein Gegenüber besser verstehen kannst.
In den blinks des ersten Bandes lernst du dieses Modell und seine vier Seiten kennen. Du erfährst anhand vieler Beispiele, in welchem Umfeld du auf welche Seite am stärksten achten solltest, wie du bewusster mit verbaler und nonverbaler Kommunikation umgehst und welche Faktoren das Senden einer Nachricht beeinflussen. Das eröffnet dir den Blick darauf, was beim Senden schieflaufen kann - und wie du solche Kommunikationsprobleme löst.
In diesen blinks lernst du außerdem,
- warum wir nicht auf zwei, sondern auf vier Ohren hören;
- warum ein Temperaturunterschied von zwei Grad den Haussegen stören kann; und
- wie du ein festgefahrenes Gespräch mit einem einfach Satz befreist.
Kommunikationsquadrat: Jede Nachricht hat vier Seiten.
Getreu dem Motto von Paul Watzlawick - "Man kann nicht nicht kommunizieren!" - versenden wir ununterbrochen Nachrichten an unsere Mitmenschen. Dazu gehören Sachinhalte und Aufforderungen, die verbal in Unterhaltungen mit unseren Gesprächspartnern ausgetauscht werden, also etwa die wohlbekannte Frage am Mittagstisch: "Kannst du mir bitte das Salz reichen?"
Zu all dem, was wir tagtäglich aussenden und empfangen, gehört aber noch mehr: Jenseits der Worte gibt es auch nonverbale Nachrichten. Wer z. B. in der U-Bahn seine Kopfhörer trägt, strahlt vielleicht aus, dass er sich gerade nicht für die Außenwelt interessiert. Währenddessen bekundet ständiger Augenkontakt mit einem gutaussehenden Gegenüber ganz ohne Worte genau das Gegenteil. Außerdem hat jeder von uns schon mal jemand anderen lautstark in der Öffentlichkeit telefonieren gehört - ein eindeutiges Zeichen dafür, dass diese Person nichts zu verbergen hat.
Siehe dazu den Artikel: Was die Signale des Körpers verraten
Unserem gesprochenen Wort geben wir also viele unterschiedliche Begleiter mit auf den Weg, die alle zu unserer Nachricht gehören. Ein solcher Begleiter ist der Kontext. Wird das laute Telefonat z. B. in einer Bibliothek geführt, kann es nun bedeuten: "Ich nehme keine Rücksicht auf meine Mitmenschen." Weitere Begleiter, die wir benutzen, sind Tonfall, Lautstärke, Körpersprache und Formulierungen.
Jede Nachricht, die wir versenden - egal ob verbal oder non-verbal und unabhängig vom Tonfall, Kontext und allen anderen Begleitern - lässt sich von vier unterschiedlichen Seiten betrachten. Diese vier Seiten nennt der Autor Selbstkundgabe, Beziehungsseite, Appellseite und Sachinformation.
Auf der Seite der Selbstkundgabe gibt der Sender etwas über sich kund, wie etwa die mangelnde Rücksicht auf andere beim störenden Telefonat in der Bücherei. Bei der Beziehungsseite steht die Beziehung vom Sender zum Empfänger im Vordergrund, wie beim Blick, der sagt: "Ich finde dich attraktiv." Die Appellseite umfasst das, was der Sender beim Empfänger bezwecken möchte, so z. B. das "Sprich mich nicht an!" der Kopfhörer in der U-Bahn. Die Seite der Sachinformation enthält das, was der Sender eigentlich sachlich ausdrücken will. Wer also nach Salz fragt, drückt damit auf der Sachseite aus: "Ich benötige Salz."
Diese vier Seiten einer Nachricht müssen wir uns als Quadrat vorstellen, denn alle Seiten sind gleich lang und gleich wichtig. Allerdings steht je nach Situation und Kontext häufig eine Nachrichten-Ebene im Vordergrund.
Da stimmt was nicht: Inkongruente Nachrichten bringen den Empfänger in eine Zwickmühle.
Verbale und nonverbale Kommunikation passen nicht immer gut zusammen. Wenn sie sich widersprechen, wird das als inkongruente Kommunikation bezeichnet. Die Herausforderung bei inkongruenten Nachrichten besteht darin, dass der Empfänger erraten muss, auf welche der vier Nachrichtenseiten er eingehen soll.
Wenn unser Kollege auf die Frage nach seinem Wohlbefinden mit düsterer Miene ein "Mir geht es prima" hervorpresst, dürfte das bei uns Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage aufwerfen. Nicht nur sollten wir uns jetzt die Frage stellen, ob wir dem verbalen Teil der Nachricht Glauben schenken oder dem, was uns der Kontext sagt. Vor allem lohnt sich die Überlegung, welche Vorteile es dem Sender bringt, eine solche inkongruente Nachricht abzuschicken. Der Nutzen dieses Vorgehens ist nämlich meist der, dass sich der Sender damit eine kommunikative Hintertür offen lässt.
Sobald wir uns als Nachrichtenempfänger dazu entschieden haben, auf eine Seite der Nachricht einzugehen, kann der Sender eine andere einfordern und dem Empfänger die falsche Entscheidung vorwerfen.
Weil wir um unseren unglücklich aussehenden Kollegen besorgt sind, könnten wir z. B. seine Aussage anzweifeln und noch einmal nachhaken, ob bei ihm wirklich alles in Ordnung sei. Vielleicht zielt der Kollege aber gerade darauf ab, reagiert gereizt und pocht auf die Sachseite seiner Aussage: "Ich hab dir doch gesagt, dass es mir gut geht!" So lässt sich schnell ein Streit vom Zaun brechen.
Ähnlich kann die Kollegin sich herauswieseln, die das Kundenmeeting mit einem hämischen "Die Präsentation heute war richtig gut!" kommentiert. Zwar deuten Gestik, Mimik und Tonfall das genaue Gegenteil ihrer Aussage an. Wenn sich aber der Gesprächspartner durch die ironische Bemerkung des Kollegen gekränkt fühlt, dann kann die Kollegin problemlos zurückrudern und behaupten: "Aber ich hab doch gesagt, dass ich die Präsentation gut fand!"
Wie gehen wir als Empfänger mit inkongruenten Nachrichten am besten um? Angriff ist in diesem Fall die beste Verteidigung. Bevor wir in diese kommunikative Falle tappen, sollten wir die Unstimmigkeit der Nachrichten einfach offen ansprechen. Wenn also das nächste Mal jemand mit traurigem Gesicht vorgibt, dass es ihm gut geht, kann der Empfänger entsprechend reagieren: "Geht es dir wirklich gut? Dein Gesicht verrät mir etwas ganz Anderes."
Hört, hört, hört, hört: Wir empfangen und verarbeiten jede Nachricht auf vier Ohren.
Wir wissen jetzt, dass wir Botschaften auf vier Seiten versenden. Passend dazu können wir Nachrichten aber natürlich auch auf unterschiedliche Art und Weise empfangen: Für jede der gesendeten Seiten gibt es beim Empfänger ein Ohr.
Anders als beim Versenden einer Nachricht, bei dem immer alle vier Ebenen bedient werden, können wir beim Empfangen einzelne Ohren an- und ausschalten. Dieses An- und Ausschalten kann dabei bewusst oder unbewusst ablaufen. Ein Autist beispielsweise verarbeitet ausschließlich die Sachinformationen einer Nachricht, wohingegen ein Mensch, der sich schnell angegriffen fühlt, Informationen eher mit dem Beziehungs-Ohr wahrnimmt und den Inhalt einer Nachricht daher auf sich bezieht.
Im beruflichen Kontext hingegen ist es von Vorteil, das Sach-Ohr bewusst an- und das Beziehungs-Ohr auszuschalten, um Konflikte zu vermeiden. Legen wir die bissige Nachricht von unserer kritischen Kollegin etwa unserem Chef in den Mund, der sie in einem anerkennenden Tonfall äußert, so hören unsere Ohren folgendermaßen:
Unser Selbstkundgabe-Ohr fragt sich, was wir über unseren Gesprächspartner dadurch lernen, dass er spricht und hört: "Mein Kollege war bei der Präsentation anwesend und hat sie sich angehört." Das Sach-Ohr lauscht darauf, welchen Sachverhalt unser Gegenüber uns mitteilen möchte, und hört: "Er fand die Präsentation gut." Mit unserem Beziehungs-Ohr erforschen wir, wie der Sender mit uns spricht und wie er unser Verhältnis zueinander sieht. Beim Chef hört es: "Wir stehen in einer Beziehung zueinander, in der er glaubt, mir eine Rückmeldung geben zu dürfen." Unser Appell-Ohr will aber noch wissen, wozu unser Gesprächspartner uns bewegen will - in diesem Fall ist das ein "Weiter so!"
Auf welchem Ohr wir nun aber stärker oder schwächer hören, lässt sich zusätzlich trainieren. In der lösungsorientierten Gesprächsführung z. B. werden Zahlen und Daten, also Sachinformationen in den Vordergrund gestellt, um möglichst schnell eine Lösung herbeizuführen. In diesem Fall lernen die Kommunizierenden, das Beziehungs- und Selbstkundgabe-Ohr auszuschalten. In einer Paartherapie hingegen wird tendenziell das Hören auf dem Selbstkundgabe-Ohr trainiert - nämlich mit dem Ziel, herauszufinden, was dem Partner auf dem Herzen liegt.
Meinem Gefühl nach: Selbstkundgabe sorgt für eine stimmige Kommunikation.
Die meisten Menschen tun sich schwer damit, sich selbst und anderen gegenüber Ängste einzugestehen. Dies kann daran liegen, dass es entweder keine rationalen Ängste sind, wie es bei Phobien der Fall ist. Arachnophobie ist bspw. die nicht erklärbare Angst vor Spinnen. Ein zweiter Grund kann aber auch der sein, dass Menschen Ängste mit Schwäche verbinden. Um nicht schwach zu wirken, behalten sie ihre Ängste für sich.
Siehe zum Thema auch: Nutzen Sie Ich-Aussagen
Das für sich Behalten kann allerdings beim Gegenüber für Verwirrung sorgen. Damit das nicht passiert, sollten wir unseren Nachrichten ein gesundes Maß an Selbstkundgabe beimessen. Das ist die Fähigkeit, ehrlich zu sich und zu anderen zu sein, um so die Stimmigkeit in der Kommunikation zu wahren.
Am einfachsten ist das, wenn wir dem Vorsatz folgen: "Alles, was ich sage, ist wahr, aber nicht alles, was wahr ist, sage ich auch." Geht es uns also schlecht, ist es besser, das auch so zu kommunizieren, als mit unstimmigen Nachrichten Verwirrung zu stiften. Wem es nicht so gut geht, der sollte nicht mit hängenden Mundwinkeln vorgeben, dass alles in Ordnung sei. Wenn wir keine Lust auf Nachfragen haben, ist es stattdessen viel kongruenter, das auch kundzutun: Mit einem "Mir geht es schlecht, aber ich möchte nicht drüber reden." kann unser Gesprächspartner nämlich viel mehr anfangen.
Sogenannte Ich-Botschaften dienen hierbei als Instrument, um auf der Ebene der Selbstkundgabe zu bleiben. Anstatt jemandem den Vorwurf zu machen "Du bist daran schuld, dass es mir schlecht geht!", ist es hilfreicher zu senden: "Ich fühle mich schlecht, weil …" Durch die Ich-Botschaft ist der Sender zunächst gezwungen, in sich zu gehen, um dann herauszufinden, was ihn bewegt.
Um Stimmigkeit zu wahren, müssen wir also nicht das Herz auf der Zunge tragen und alles erzählen, was uns bewegt. Am wichtigsten ist, dass der Sender weiß, was in ihm selbst vorgeht, und dies stimmig mitteilen kann. So ermöglicht der Sender dem Empfänger einen Zugang zu sich und zu seinem wahren Anliegen. Er stellt sich die Frage: "Was ist mir in dieser Situation wirklich wichtig?"
Bei der Sache bleiben: Auf der Sachebene hat nur das wirklich Wichtige Platz.
Kommunikation wird immer dann besonders anstrengend, wenn der Empfänger dem Sender nicht mehr folgen kann. Vielleicht weil der Sender andauernd abschweift, nicht auf den Punkt kommt oder andauernd Fremdwörter benutzt. Um dieses Problem zu umgehen und die Sachlichkeit in den Mittelpunkt zu stellen, gibt es zwei Leitsätze. Diese lauten: "Gehört das hierher?" und "Störungen haben Vorrang."
Die drei Siebe der Weisen können als Merkhilfe für diesen Rat dienen.
Praktisch bedeutet das Folgendes: Wenn in der wöchentlichen Teambesprechung ausgiebig von einer Dienstreise mit einem Geschäftskunden berichtet wird, stellt sich die Frage: "Ist es wirklich von Belang, was es zum Essen gab?" Vermutlich ist es das nicht, und daher kann auf diese Information verzichtet werden.
Angenommen, einer der Zuhörer im gleichen Meeting hat ein Problem damit, was bzw. wie es berichtet wird, dann greift der zweite Leitsatz. Seine "Störung" erhält Vorrang und er sollte mit seiner Kritik nicht bis zum Ende des Berichtes warten. Ist die Störung geklärt, kann das eigentliche Thema wieder zum Kommunikationsschwerpunkt werden.
Vier Verständnismacher helfen dabei, Störungen auf der Sachebene zu verhindern: Einfachheit, Gliederung und Ordnung, Kürze und Prägnanz sowie zusätzliche Stimulanz.
Mit Einfachheit ist schlichtweg gemeint, dass wir unsere Nachricht nicht unnötig kompliziert formulieren sollten. Fremdwörter gehören nur in einen Kontext, in dem sie jeder versteht, oder sie müssen erklärt werden. Uns vorher zu überlegen, was wir überhaupt sagen wollen, sorgt für Gliederung und Ordnung. So gehen wir sicher, dass unsere Nachricht nicht unübersichtlich und zusammenhangslos wirkt. Außerdem ist es ratsam, keine endlosen Monologe zu halten. Kürze und Prägnanz helfen uns dabei, uns auf den Kern unserer Aussagen zu konzentrieren und zügig zum Punkt zu kommen. Um unserem Empfänger dabei zu helfen, die Sachseite unserer Botschaft schnell zu erfassen, können wir auch zusätzliche Stimulanz nutzen. Bei geschriebenen Informationen bietet es sich etwa an, das Wichtige hervorzuheben, bei gesprochenen Informationen helfen Lautstärke, Gestik und Mimik.
Durch regelmäßiges Training oder mithilfe der Rückmeldung unserer Empfänger können wir alle vier Verständnismacher einüben und lernen. Es ist im Grunde nichts anderes als die Vorbereitung auf einen Vortrag: Wir sprechen den Vortrag vor und prüfen, ob alles einfach und gut strukturiert ist. Zusätzlich können wir die Probezuhörer fragen, ob alles verständlich und relevant war.
Du, ich und wir: Nachrichten mit starker Beziehungsseite formen das Arbeitsklima.
Wenn sich Menschen am Arbeitsplatz wohlfühlen, sind sie in der Regel leistungsfähiger und erfolgreicher als ihre unzufriedenen Kollegen. Wissenschaftliche Studien bestätigen dies und zeigen, dass insbesondere das Betriebsklima und der Führungsstil der Vorgesetzten in positivem Zusammenhang mit der Einsatzbereitschaft und der Motivation von Arbeitnehmern stehen.
Dafür ist die Beziehungsseite des Kommunikationsquadrates besonders relevant. Auf der Beziehungsebene erfährt der Empfänger nämlich zwei unterschiedliche Aussagen. Die eine lautet: "So stehen wir zueinander", die andere beantwortet die Frage: "Was für einer bin ich in deinen Augen?"
Wenn zwei Kollegen an einem Projekt arbeiten und einer von beiden sagt: "Lass mich das machen!", lauten die Nachrichten auf der Beziehungsebene möglicherweise: "Wir arbeiten zwar gemeinsam, aber ich bestimme jetzt!", und "Du kannst das eh nicht."
Im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung kann dieses negative Bild dazu führen, dass der Kollege es wirklich nicht kann. Das liegt daran, dass er der Nachricht des Kollegen Glauben schenkt und sie zu seiner eigenen Meinung macht. Der Kollege denkt sich: "Wenn ich in den Augen der anderen so bin, dann muss ich wohl wirklich so sein." Dieses Selbstbild wirkt für den einzelnen natürlich demoralisierend und verschlechtert somit das Arbeitsklima und die Leistungsbereitschaft aller Mitarbeiter.
Um solche negative Botschaften auf der Beziehungsebene zu verhindern, ist es für jeden Einzelnen notwendig, die eigenen Aussagen zu überdenken und da, wo es möglich ist, positiv zu formulieren. Bei der Auswertung der Arbeit unserer Kollegen können wir uns konkret folgende Fragen stellen: "Finde ich die Arbeit vom Kollegen wirklich so schlecht, oder habe ich vielleicht selber nur einen schlechten Tag? Wenn mir die Arbeit/das Verhalten missfällt, gibt es eine Möglichkeit, meine Kritik positiv zu formulieren? Wie kann ich ihm einen Tipp geben? Was kann er besser/anders machen?"
Bevor wir einen Kollegen also das nächste Mal bevormunden und ihm ein negatives Gefühl geben, sollten wir uns diese Fragen stellen und unsere Botschaft entsprechend formulieren. Eine positive Ausdrucksweise ist besser für das Arbeitsklima und damit für unseren eigenen Erfolg.
Sag, was du willst: Offene Appelle sind gesünder für die Kommunikation.
Wem ist ein ähnliches Szenario noch nicht passiert - die Kollegin fragt, ob wir ihre Schicht übernehmen, damit sie übers verlängerte Wochenende zur Familie aufs Land fahren kann. Da wir uns aber selbst schon auf einen Kurzurlaub auf Balkonien gefreut haben, beantworten wir ihre Frage mit einem Nein und einer kleinen Entschuldigung, woraufhin die Kollegin die nächsten zwei Wochen schlecht auf uns zu sprechen ist.
Wo liegt hier das Problem? Schließlich handelt es sich nur um Frage und Antwort, oder? Ein Blick auf die verschiedenen Seiten der Nachricht verrät uns allerdings etwas anderes, nämlich dass hier keine ernst gemeinte Frage gestellt, sondern ein Appell geäußert wurde. Mit Appellen möchte der Sender den Empfänger dazu veranlassen, etwas Bestimmtes zu tun oder auch zu unterlassen.
Allerdings ist Appell nicht gleich Appell. Es gibt verdeckte und offene Appellen. In unserem Beispiel haben wir es mit der verdeckten Variante zu tun. Bei einem verdeckten Appell versucht der Sender unterschwellig, etwas anderes zu erreichen als das, was er offen sagt. Wenn der Kollege kurz vor dem Wochenende erzählt, dass er gar nicht weiß, wie er seine Deadline einhalten soll, versteckt sich darin der verdeckte Appell "Hilf mir!"
Das Ziel besteht also oftmals darin, etwas zu bekommen, ohne danach gefragt zu haben. Kommt der Empfänger dem Sender aber auf die Schliche und hat das Gefühl, einen verdeckten Appell zu hören, kann er den Appell in Worte fassen und ihn spiegeln: "Ich höre heraus, dass ich dir helfen soll. Habe ich das richtig verstanden?" Dadurch liegt der Ball wieder beim Sender und dieser kann offen sagen, was er wirklich beabsichtigt - oder die Chance auf einen offenen Appell verstreichen lassen.
Um als Sender einen solchen offenen Appell zu formulieren, müssen wir uns aber darüber im Klaren sein, was wir wirklich wollen. Wenn nach einem guten Arbeitsergebnis die Anerkennung der Kollegen ausbleibt und wir uns genervt zurückziehen, um unsere Ruhe zu haben, stellt sich die Frage: "Willst du wirklich nur deine Ruhe oder ist dir Anerkennung für das Geleistete in Wirklichkeit wichtiger - und dass du sie nicht bekommst, nervt dich?"
Einen offenen Appell zu formulieren, setzt also die Fähigkeit voraus, die eigenen Gefühle und Wünsche in Erfahrung zu bringen. Wenn wir uns unseres eigentlichen Appells bewusst sind und nicht heimlich etwas anderes verfolgen, fällt es uns außerdem leichter, ein Nein als Antwort zu akzeptieren.
Vierdimensional statt platt: Hören und Reagieren auf allen vier Ohren vermeidet Konflikte.
Zu Konflikten kommt es aus der Sicht der Kommunikationspsychologie dann, wenn Nachrichten auf einem anderen Ohr empfangen werden, als sie gesendet wurden. Das folgende Beispiel ist eine solche Situation: Die Tochter will am kalten Herbsttag das Haus verlassen. Im Treppenhaus wird sie von ihrer Mutter mit den Worten abgefangen: "So willst du doch wohl nicht aus dem Haus? Es sind gerade mal 8 Grad." Darauf antwortet sie: "Ich will nur kurz raus, und wenn du mal aufs Thermometer geguckt hättest, wüsstest du, dass es sogar 10 Grad sind." Die Mutter entgegnet: "So gehst du mir nicht aus dem Haus. Entweder ziehst du dir was Wärmeres an oder du kannst hier bleiben!" Daraufhin stürmt die Tochter ärgerlich aus dem Haus. Was ist kommunikationstechnisch in dieser kurzen Zeit passiert?
Die Mutter sendet zwar auf der Sachebene die Information, dass es 8 Grad sind, allerdings sagt ihre Seite der Selbstkundgabe etwas anderes: "Ich mach mir Sorgen um dich und möchte nicht, dass du dich erkältest." Die Beziehungsebene funkt allerdings: "Ich bin deine Mutter und kann entscheiden, welche Kleidung du trägst." Der verdeckte Appell fordert: "Zieh dir was Wärmeres an!"
Die Tochter fühlt sich auf der Beziehungsebene bevormundet, reagiert allerdings auf der Sachebene mit der Aussage, dass es keine 8, sondern 10 Grad seien. Die Mutter wiederum fühlt sich missverstanden und will sich auf der Sachebene nicht belehren lassen. Sie reagiert mit einer Verstärkung auf der Beziehungsebene: "So gehst du mir nicht aus dem Haus!"
Wie hätte sich ein solcher Streit verhindern lassen? Zum einen könnte die Mutter die Selbstkundgabe hervorheben und ihre Sorgen tatsächlich verbalisieren. Zum anderen hätte die Tochter auf derselben Ebene senden können, auf der sie die Nachricht auch hört, nämlich auf der Beziehungsebene: "Ich bin alt genug und wünsche mir, dass du mir zutraust, die richtigen Entscheidungen zu treffen." Auf der Ebene der Selbstkundgabe fügt sie hinzu: "Du musst dir keine Sorgen machen, ich passe auf mich auf."
Wie war das? Rückfragen räumen Missverständnisse aus.
Der Streit aus dem letzten blink kann also dadurch gelöst werden, dass Mutter und Tochter ausgewogen auf allen vier Nachrichtenebenen senden, hören und entsprechend reagieren. Eine weitere Möglichkeit, strittige Situationen zu entschärfen, ist die, sich Feedback einzuholen - also Rückfragen zu stellen, ob das, was gesendet bzw. verstanden wurde, auch richtig angekommen ist.
Konflikte entstehen dadurch, dass die eigene innere Überzeugung als allgemein gültig und richtig betrachtet wird. Beim Senden wäre das beispielsweise: "Das muss er doch verstanden haben", oder beim Empfangen: "Das wird er auf jeden Fall so gemeint haben."
Ein Grundstein der Konfliktvermeidung ist aber die Erkenntnis, dass die innere Überzeugung lediglich eine persönliche Interpretation von einer Situation ist, mit der man richtig oder falsch liegen kann. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist ganz einfach die, dass wir die eigene Wahrnehmung und Interpretation durch das Einholen von Feedback überprüfen.
Fühlen wir uns kritisiert oder angegriffen, ist es die Aufgabe von uns als Empfänger, dem Sender eine Rückmeldung zu geben, wie das Gesagte bei uns angekommen ist. Unter Kollegen könnte die Rückfrage lauten: "Ich fühle mich durch deinen Witz von vorhin persönlich angegriffen. Wolltest du mich ernsthaft kritisieren, oder wie muss ich den Witz verstehen?"
Besonders hilfreich bei der Konfliktvermeidung ist zusätzlich ein gut ausgeprägtes Selbstkundgabe-Ohr, also die Fähigkeit, herauszuhören, was der Sender einer Nachricht über sich selbst preisgibt. Dadurch können die Fragen beantwortet werden, wie es dem Sender im Augenblick geht, was ihm wichtig ist und was er von uns will.
Mit Rückfragen zielen wir darauf ab, die eigene Unklarheit anzusprechen, ob eine Aussage oder Handlung richtig interpretiert wurde. In der Kommunikationspsychologie gilt der Grundsatz, dass nur Ausgesprochenes diskutiert und gelöst werden kann, wohingegen Unausgesprochenes die Kommunikation vergiftet.
Rund trotz Ecken und Kanten: Kommunikation kennt weder Anfang noch Ende.
Wir können Handlungen und Aussagen per se nicht mit richtig oder falsch bzw. als gut oder schlecht beurteilen. Das liegt daran, dass Kommunikation zum einen stark situationsabhängig ist - ein Witz, der unter Freunden gut ankommt, löst also vielleicht bei den Kollegen unangenehmes Schweigen aus. Zum anderen kommt es darauf an, was vorher passiert ist. Es macht somit einen Unterschied, ob wir einen Kollegen aus heiterem Himmel oder aufgrund eines schlechten Ergebnisses kritisieren.
Im Grunde können wir uns Kommunikation wie einen Kreis aus ständigem Senden und Empfangen vorstellen. Wenn wir nicht aufpassen, wird der allerdings durch den Bezug zu vorherigen Aussagen schnell zu einem Teufelskreis. Ein typisches Streitgespräch findet so schnell kein Ende: "Ich hab keine Lust mehr, mich ständig von dir kritisieren zu lassen!" - "Ich kritisiere? Du hast doch angefangen, mir Vorwürfe zu machen!" - "Ja, aber nur weil du …"
Um den Konflikt zu lösen und den Teufelskreis zu durchbrechen, müssen wir auf der Metaebene kommunizieren. Mit Metakommunikation ist gemeint, dem Gesprächspartner einen Einblick in die eigene Gefühlswelt zu geben, indem wir die Frage danach beantworten, wie es uns mit der Art unserer Kommunikation geht.
Eine Intervention durch Metakommunikation kann lauten: "Mir geht es eigentlich gar nicht um dieses Projekt. Ich hätte mir aber beim vorherigen Projekt eine bessere Zusammenarbeit gewünscht, deswegen habe ich dir gerade vorgeworfen, dass du immer alles alleine machst." Das Ziel der Metakommunikation besteht nicht darin, aufzudecken, was wir gesagt haben, sondern wie wir etwas sagen. Bei einem scheinbar festgefahrenen Gespräch hilft also manchmal ganz einfach der folgende Satz: "Streiten wir noch sachlich, oder machen wir uns nur gegenseitig Vorwürfe?"
Zusammenfassung
Die Kernaussage dieses Buchs ist:
Beim Senden und Empfangen von Nachrichten - etwas, was wir alle täglich tun - spielen vier Ebenen eine Rolle: die Sachebene, die Ebene der Selbstkundgabe, die Beziehungsebene und die Appellebene. Wenn wir uns diese vier bewusst machen, sie offen kommunizieren und bei unseren Gesprächspartnern auf sie lauschen, lösen wir Konflikte leichter oder lassen sie gar nicht erst entstehen.
Zum Weiterlesen: Heikle Gespräche von Kerry Patterson u. a.
In Heikle Gespräche geht es darum, wie wir besser mit Gesprächen umgehen können, bei denen viel auf dem Spiel steht und vor denen wir Angst haben. Das Buch nimmt dem Leser die Scheu vor solchen heiklen Gesprächen und liefert Ideen und Tricks, mit denen wir in solchen Gespräche einen kühlen Kopf bewahren.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Blinkist - dort finden sich mehr als 1.000 Sachbuch-Bestseller, zusammengefasst in 15-Minuten Texte für unterwegs. -> Jetzt drei Tage lang kostenfrei testen - Sie erhalten während des Testzugangs kompletten Zugriff auf die Blinkist-Bibliothek.